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Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR)

Hoffnung und Wirklichkeit

Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) war von Anfang an heftig umstritten. Der Versuch, schulische und berufliche Abschlüsse in einem System gemeinsam abzubilden, stieß im stark formalisierten Bildungssystem in Deutschland auf erhebliche Widerstände. Auch in den Gewerkschaften wurden unterschiedliche Positionen vorgetragen. Der wissenschaftliche Beraterkreis von ver.di und der IG Metall stellte dazu in seinen Berufs-Bildungs-Perspektiven 2008 fest: „Festzuhalten ist, dass der EQR lediglich ein Übersetzungsinstrument, also einen Formalrahmen darstellt, ein DQR dagegen aber als ein Reforminstrument des Berufsbildungssystems angelegt werden kann. Gerade für unser trennscharf segmentiertes Bildungssystem zeigt der DQR auch Potential, die Durchlässigkeit zwischen dualen und vollschulischen sowie zwischen Aus- und Weiterbildung zu erhöhen.“ (Seite 49)

Die Potentiale wurden nicht genutzt. Der DQR ist ein Orientierungsrahmen, rechtliche Wirkung entfaltet er nicht. Dies führt zu merkwürdigen Erscheinungen, sobald der DQR genutzt werden soll, um beispielsweise Bildungsabschlüsse in tariflichen Einordnungen zu nutzen.
  • “Im Rahmen der Verhandlungen zum Mindestlohn in der Weiterbildungsbranche in 2019 wurde vereinbart, dass eine höhere Tarifstufe an eine Qualifizierung der Kollege*innen gebunden ist, die sich auf dem Niveau der Stufe 6 des DQR befindet. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass sich die Mühe der Aufstiegsfortbildung zukünftig noch mehr lohnt, weil sie sich im Gehalt niederschlägt. Die Verhandlungen, diesen Tarifvertrag für Allgemeinverbindlichkeit zu erklären drohten zu scheitern. Grund hierfür war das Wort DQR im Tarifvertrag. Die Allgemeinverbindlichkeit wurde schließlich erreicht, indem der Begriff DQR gestrichen wurde und stattdessen alle Abschlüsse aufgelistet wurden, die einen Anspruch auf den höheren Mindestlohn bewirken.

  • Die Systematik der Aufstiegsfortbildungen, wie sie mit dem Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiMoG) geschaffen wurde, ist inspiriert vom DQR, wird aber an keiner Stelle im Gesetzestext erwähnt. Im ersten Referentenentwurf zu diesem Gesetz vom 18.12.2018 wurde der DQR immerhin in der Begründung an mehreren Stellen explizit erwähnt. Beispielsweise wird auf S. 39 formuliert: „Die drei Stufen entsprechen zugleich den Kriterien des DQR für ein Einstufen auf den Niveaus 5 („Geprüfter/te Berufsspezialist/in für …“), 6 („Berufsbachelor in …“; gleichwertig einem akademischen Bachelorabschluss) und 7 („Berufsmaster in …“; gleichwertig einem akademischen Masterabschluss).“ Dieser Bezug zum DQR fehlt in dem folgenden Referentenentwurf. Der DQR wird an keiner Stelle mehr erwähnt, auch wenn er, wie das Zitat belegt durchaus, faktisch zur Erzielung von Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung genutzt wird.

Bisher ist der DQR formal lediglich ein Instrument zur Herstellung von Vergleichbarkeit unterschiedlicher Qualifikationen auf dem deutschen und europäischen Arbeitsmarkt. Aus der Zuordnung von Qualifikationen zu den einzelnen Stufen ergeben sich bisher keine direkten Konsequenzen für den einzelnen Arbeitnehmer oder die einzelne Arbeitnehmerin, indirekt, wie gezeigt allerdings schon.“ (Roman Jaich und Mario Patuzzi im Vorwort )der neuen denk-doch-mal

Welche Hintergründe der Entwicklungen des DQR zugrunde lagen und welche Erwartungen mit ihm verbunden waren, das versuchen die Beiträge in der neuen denk-doch-mal 1/2020 zu beleuchten.


Hier geht es zur denk-doch-mal mit den Beiträgen zum DQR.

Schlagworte zu diesem Beitrag: Lebenslanges Lernen, Deutscher Qualifikationsrahmen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.04.2020