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Leistungen der Arbeitslosenversicherung zukunftsgerecht gestalten

Berufliche Weiterbildung stärken

Im Februar d.J. hat das Bundeskabinett ein Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (AWStG) auf den Weg gebracht. Noch bevor der Gesetzentwurf (als Bundestagsdrucksache 18/8042) in diesen Tagen die Ausschüsse des Bundestags erreicht, diskutierten die Parlamentarier am Montag, 11. April, in einer Anhörung über Anträge der Oppositionsparteien, die eine umfassendere Modernisierung der Arbeitslosenversicherung einfordern.

Der Regierungsentwurf konzentriert sich darauf, die Aus- und Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit zu verbessern. Er greift damit ein Kernanliegen präventiver Arbeitsmarktpolitik auf und schafft Voraussetzungen für eine differenzierte Förderung von jungen Menschen mit abgebrochener Erstausbildung ebenso wie für verbesserte Weiterbildungsangebote für ältere (Langzeit-)Erwerbslose. Das Gesetz stellt klar, dass der Vorrang der Vermittlung in ein neues Beschäftigungsverhältnis einer Weiterbildungsförderung nicht im Wege steht, wenn durch die Weiterbildung eine dauerhafte berufliche Eingliederung erreicht werden kann.

ver.di begrüßt die Initiative der Bundesregierung, denn berufliche Weiterbildung gehört unter den Rahmenbedingungen der Arbeitswelt 4.0 auf Platz 1 der arbeitsmarktpolitischen Agenda (sopoaktuell Nr. 222). Tatsächlich enthalten aber auch die Oppositionsanträge einige Vorschläge, die für eine zukunftsgerechte Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik von großer Bedeutung sein können. Es ist zu wünschen, dass bei der parlamentarischen Beratung des AWStG ihre Forderungen in die endgültige Fassung des Gesetzes einfließen: Die Verbesserung des Arbeitslosenversicherungsschutzes Solo-Selbständiger (vgl. sopoaktuell Nr. 163) ebenso wie die Verlängerung der Rahmenfrist nach § 143 SGB III.

Notwenige Grundkompetenzen vermitteln

Aus- und Weiterbildung sind die Schlüssel zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Das AWStG will Aus- und Weiterbildung auch für Menschen, die keine ausreichenden Grundkompetenzen etwa in den Bereichen Lesen, Schreiben oder Mathematik besitzen, erreichbar machen. Diese Grundkompetenzen sollen bei Bedarf im Vorfeld oder begleitend zu einer Aus- und Weiterbildung vermittelt werden, um die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss zu erhöhen.

Bildungserfolge belohnen

Die Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung kann für erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer, je nach persönlicher Situation, hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen stellen. Mit der Einführung von Erfolgsprämien soll die Motivation erhöht werden, eine von den Agenturen für Arbeit bzw. den Jobcentern geförderte abschlussbezogene berufliche Weiterbildung aufzunehmen, durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen. Der Gesetzesentwurf sieht eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro beim Bestehen einer Zwischenprüfung und in Höhe von 1.500 Euro bei erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung vor. Es bleibt abzuwarten, ob diese ökonomischen Anreize tatsächlich ausreichend sind. Für ver.di hätte es deutlich näher gelegen, hier mit kontinuierlichen aufstockenden Geldleistungen – wie beim alten Unterhaltsgeld im früheren Arbeitsförderungsgesetz – die Durststrecke einer längeren abschlussorientierten Weiterbildungsmaßnahme abzusichern.

Dem Mittelstand Weiterbildung ermöglichen

Für kleine und mittlere Unternehmen, denen die längere Freistellung von Mitarbeiter_innen zur Weiterbildung aus organisatorischen Gründen oft nicht leicht möglich ist, werden neue, flexible Regelungen geschaffen. Förderungsfähige Weiterbildung kann nun ohne entsprechende Freistellung, teilweise außerhalb der Arbeitszeit, erfolgen. Damit soll einem größeren Kreis von weiterbildungswilligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die bisher aus rein organisatorischen Gründen von der Förderung ausgeschlossen waren, der Zugang zur geförderten Weiterbildung ermöglicht werden.

Betriebliche Erfahrungen verlängern

Für Erwerbslose mit besonderem Unterstützungsbedarf wird die mögliche Höchstdauer von betrieblichen Maß-nahmen bei einem Arbeitgeber von sechs auf zwölf Wochen verlängert. Damit sollen für Langzeiterwerbslose wie auch für viele Flüchtlinge neue und bessere Möglichkeiten geschaffen werden, sich in der betrieblichen Praxis zu orientieren und darauf aufbauend passende Weiterbildungsangebote zu finden.

Weiterbildung für SGB II-Leistungsbezieher_innen

In den letzten Jahren ist die Zahl der erwerbslosen SGB II-Leistungsbeziehenden, die von Qualifizierungsmaß-nahmen profitiert haben, noch einmal deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig deuten aktuelle Studien darauf hin, dass Weiterbildungsmaßnahmen eine hohe Wirksamkeit hinsichtlich der Arbeitsmarktintegration besitzen. Der Ansatz des AWStG geht daher unbestreitbar in die richtige Richtung. Die vorgeschlagenen Änderungen im SGB III sollen den Vorstellungen der Bundesregierung entsprechend auch Anwendung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende finden. Für ver.di gilt: Entscheidend ist, dass im SGB II hierzu die entsprechende finanzielle Ausstattung geschaffen wird.

Weiterbildungsberatung

Ein Ausbau der Bundesagentur für Arbeit zu einer Bundesagentur für Arbeit und Weiterbildung, wie ihn die Bundesarbeitsministerin wiederholt angekündigt hat, braucht zu allererst gute Beratungskompetenz bei der Bundesagentur. Denn die Inanspruchnahme von Weiterbildungsförderung durch Erwerbslose setzt voraus, dass der (langfristige) ökonomische Vorteil einer Weiterbildung geglaubt und verstanden wird. Eine qualifizierte Beratung ist dabei etwas völlig anderes als ein belehrender Vortrag oder eine sanktionsbewehrte Eingliederungsvereinbarung. Die Mitarbeiter_innen der BA brauchen als Weiterbildungsberater_innen Empathie und Arbeitsmarkt- und Beratungs-Kompetenz und eine ausführliche eigene Qualifizierung. Die Ansprache der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer muss gleichermaßen gelingen. Die von der BA angestoßenen Pilotprojekte zur Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung wer-den von den Sozialpartnern im Verwaltungsrat der BA kritisch begleitet, um die erfolgskritischen Faktoren verlässlich zu identifizieren und um sie mit anderen Good-Practice-Beispielen zu vergleichen. Das Land NRW hat hier bereits starke eigene Strukturen aufgebaut. (www.weiterbildungsberatung.nrw/beratung)

Tarifbindung

Last but not least wissen wir, dass der ökonomische Nutzen einer Weiterbildung von allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen abhängig ist: Erst eine breite Tarifbindung schafft die Voraussetzungen dafür, dass Beschäftigte (nach einer geförderten Weiterbildung) verlässlich weiterbildungsadäquat bezahlt werden.


Quelle: sopoaktuell Nr. 239 vom 12. April 2016


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Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 13.04.2016