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Düstere Aussichten in der Weiterbildung

Der massive Einbruch der Gehälter in der Weiterbildung erfolgte in den Jahren 2004 bis 2006. Damals wurden die Förderbedingungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Folge der Hartz-Gesetze grundlegend geändert. Das bedeutete eine Reduzierung des Verdienstes von Neueingestellten um 30 bis 50 Prozent. Während die Gehälter für das pädagogische Personal bei seriösen Trägern vorher – umgerechnet auf heutiges Niveau – bei deutlich über 3000 Euro lagen und nicht wenige Kolleg_innen auch 4000 Euro verdienten, mussten danach Arbeitsverträge mit lediglich 2000 Euro akzeptiert werden.

Mittlerweile sind allerdings gewisse, wenn auch sehr begrenzte Verbesserungen zu verzeichnen: Der Mindestlohn ist dieses Jahr auf 14 Euro gestiegen und klettert im kommenden Jahr auf 14,60 Euro. Doch die Aus sichten, eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen, sind für viele dennoch schlecht. Schließlich benötigen Beschäftigte in der Weiterbildung eine solide Qualifikation, so dass so gut wie niemand hier 45 Beitragsjahre erreichen kann.

Weitere Verschärfungen entstehen durch diskontinuierliche Beschäftigung. Häufig werden Kursleiter_innen nur befristet und synchron zur Laufzeit einer Bildungsmaßnahme angestellt – und sie müssen dann mehrere Monate pausieren, bis die nächste Maßnahme startet. Nicht selten läuft das mehrere Jahre hintereinander so. Darüber hinaus haben viele Dozent*innen nur eine Honorarbeschäftigung, die zwar rentenbeitragspflichtig ist, auf die jedoch auf Grund der niedrigen Einkommen nur geringe Beiträge entrichtet werden.

Hatten in den 1970er und 80er Jahren eine ganze Anzahl von Weiterbildungsträgern auf Druck von Arbeitnehmer_innenvertretungen eine ergänzende betriebliche Altersversorgung vereinbart, so verschlechterten sich die Leistungen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zunehmend. Bald kamen neu Eingestellte gar nicht mehr in den Genuss einer betrieblichen Zusatzrentenversicherung. Die Rentenaussichten für die Beschäftigten in der Weiterbildung verdüsterten sich also schon lange vor der ‚großen‘ Krise 2004 –2006.

Mit dem Mindestlohn in der Weiterbildung ab 2011 konnte ver.di einen gewissen Teilerfolg erzielen. Allerdings ging es zunächst vor allem darum, die Negativspirale bei den Gehältern auf Grund der katastrophalen Rahmenbedingungen und des ruinösen Wettbewerbs zu begrenzen und das Lohnniveau Schritt für Schritt wieder anzuheben. Diese Ziele haben wir erreicht. Dass ist ohne Zweifel ein gewerkschaftlicher Erfolg. Den absehbaren Einbruch in der Altersversorgung können wir mit den Mindestlohntarifverträgen jedoch nicht auffangen – das würde eine vollständige Überforderung dieses Instruments bedeuten.

Jede Gehaltserhöhung ist positiv zu werten – auch unter dem Gesichtspunkt der Altersversorgung. Unser Ziel ist ein allgemeinverbindlicher, umfassender Tarifvertrag für die Weiterbildung mit einem Gehaltsniveau, das den Tätigkeiten und den erforderlichen Qualifikationen angemessen Rechnung trägt. Dazu gehört perspektivisch auch eine branchenweite betriebliche oder überbetriebliche Altersversorgung. Dafür lohnt es sich zu streiten – und zu streiken.


Von Roland Kohsiek

Quelle: biwifo report 1/2016


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Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 22.03.2016