Nachrichten-Archiv

Zurück zur Übersicht

DozentInnen an der VHS Osnabrück fordern höhere Honorare und soziale Absicherung

Offener Brief der Dozentinnen und Dozenten des Fachbereichs DaZ (Deutsch als Zweitsprache) der VHS Osnabrück Stadt bezüglich der Vergütung und der Veränderung der Integrationskursverordnung zum April 2013


Die jetzige Einkommenssituation der Lehrkräfte in Integrationskursen und weiteren Sprachkursen im DaZ‐ Bereich ist nicht länger hinnehmbar. Die auf Grund der Tätigkeit als Honorarlehrkräfte fehlende soziale Absicherung ist unhaltbar. Die Anforderungen an die KursleiterInnen (KL) steigen: Vor‐ und Nachbereitung, Prüfungsvorbereitung auf den Deutsch‐Test für Zuwanderer (DTZ) und andere Prüfungsformate, Hospitationen im Unterricht durch Trägerverantwortliche mit anschließender Auswertung, permanente Leistungsbeurteilungen der TeilnehmerInnen (Tests/individuelle Lernverlaufsprotokolle), für die PrüferInnen alle 3 Jahre „Auffrischung“ ihrer Lizenzen, zusätzliche Fortbildungen/Qualifikationen für den Orientierungskurs und –test und im Alpha‐Bereich, Mehraufwand bei Prüfungen, was von Seiten des Bundesamts mit der „Erhöhung der Prüfungssicherheit“ begründet wird. Wir, die KL der Integrationskurse an der VHS Osnabrück, arbeiten seit Januar 2003 für 23 Euro pro Unterrichtsstunde. Von diesem Betrag zahlen wir als Honorarlehrkräfte sämtliche Sozialabgaben ohne Arbeitgeberanteil. Ferien und krankheitsbedingte Ausfälle bedeuten, dass wir kein Entgelt erhalten! Keiner weiteren Ausführung bedarf es, dass die allgemeine Preisentwicklung und Inflationsrate mit der Lohnentwicklung gerade in unserem Bereich konträr verlaufen ist. Wir möchten hier nicht näher auf den sozialversicherungsrechtlichen Status dieses „Arbeitsverhältnisses“ eingehen. Er sollte inzwischen bekannt sein. Fest steht, dass viele Kursleiter/Innen im DaZ‐Bereich einen „Vollzeit‐Job“ ausüben, d.h. ihren Lebensunterhalt mit dieser Tätigkeit bestreiten.


Neue Integrationskursverordnung zum April 2013

Zulassungsregelungen für die Kursträger


In der neuen Integrationskursverordnung, die zum April 2013 in Kraft tritt, ist festgelegt, dass das Bundesamt (BAMF) den Trägern die Zulassung entziehen kann, sollten sie eine Entlohnung von 18 Euro unterschreiten. Diesen „Mindestlohn“, der noch nicht einmal garantiert wird, betrachten wir als völlig unangemessen, auch wenn fast die Hälfte aller Kollegen und Kolleginnen in anderen Einrichtungen zurzeit noch weniger verdient.

Die Dauer der Zulassung für die Träger (1‐5 J.) richtet sich nach der Lehrkräftevergütung (mind. 18 Euro für eine mehrjährige Zulassung/ Falls der Satz unter 18,‐ Euro liegt, wird die Zulassung nur für 1 Jahr erteilt) und einem Punktesystem, das das Erreichen von Standards bei den in § 20 Abs. 1 genannten Kriterien abbildet, d.h. den Kriterien sind bestimmte Punktzahlen zugewiesen. „ Zusätzlich kann das Bundesamt außerhalb des Punktesystems die Dauer der Zulassung verkürzen, wenn die Vergütungsgrenze für die Lehrkräfte unterschritten wird.“ (zum Zulassungsverfahren s. § 18 – 20b S.17 Begründung zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung/ Hervorh. d. d. Verf.) Eine Entlohnung unter 18 Euro führt also nicht dazu, dass dem Träger keine Zulassung erteilt wird, sondern lediglich zu einer Verkürzung der Zulassung auf 1 Jahr, während sich der Antragsteller innerhalb des Punktesystems z.B. verpflichten muss, die jeweils aktuellen pädagogischen Konzepte des Bundesamtes und die darin aufgeführten neuen Medien bedarfsgerecht einzusetzen. Tut er dies nicht, wird der Antrag abgelehnt (Antrag auf Folgezulassung als Kursträger S. 5 III 4 Einsatz neuer Medien, § 19 Abs. 2 Nr. 4 IntV). An dieser Regelung wird außerdem erkennbar, dass das Bundesamt und der Träger pädagogische Entscheidungen für die Kursleiter/Innen treffen, die einzig und allein in deren pädagogischer Kompetenz liegen. „Bei der Erteilung der Zulassung weist das BAMF die Träger auf die Rechte seiner Lehrkräfte, beispielsweise die Rechtsprechung zu Ansprüchen von freiberuflich, aber arbeitnehmerähnlich Tätigen auf Urlaubsentgelt, hin.“ (S. 17 Begründung zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung/ Hervorh. d. d. Verf.) Ein Hinweis allein reicht nicht aus.

Wir fordern von der VHS die Umsetzung dieses Hinweises, d.h. die Zahlung eines Urlaubsentgelts!


Veränderungen bei den Orientierungs- und Alphabetisierungskursen


Nach der neuen Integrationskursverordnung (Stand 09.03.2012) wird die Stundenzahl für den Orientierungskurs von 45 auf 60 Unterrichtseinheiten erhöht (§ 12). Dies und die Einführung eines Skalierten Abschlusstests „Leben in Deutschland“ (§ 17 Abs. 1/ Zusammenführung von Orientierungs‐ und Einbürgerungskurs) ist grundsätzlich zu begrüßen, der Mehraufwand hinsichtlich der Prüfung allerdings zu hinterfragen. Ab 01.01.2014 gilt: „Für die Unterrichtung von Alphabetisierungskursen muss eine ausreichende fachliche Qualifikation und Eignung nachgewiesen werden“ (§ 15 Abs. 3 – 5), eine sicher sinnvolle Forderung, aber die Förderung der Lehrkräftefortbildung ist dabei an eine „Kann“‐Bestimmung gebunden, d.h. auch hier ist auf jeden Fall ein erhöhter Kostenaufwand zu erwarten, wobei die Frage offen bleibt, wer die Kosten für diese Fortbildung trägt und wie der Zeitaufwand für die Fortbildung entgolten wird.

Auswirkungen auf die Prüfungen und für die PrüferInnen

Einige KL haben sich zusätzlich qualifiziert, indem sie die Prüferlizenz für den DTZ (Deutsch‐ Test für Zuwanderer) erworben haben. Seit Jahren prüfen sie (auch samstags) gewissenhaft nach den entsprechenden Richtlinien und versuchen dabei, eine angenehme „Prüfungsatmosphäre“ zu schaffen, so wie es in Fortbildungen auch immer wieder nahe gelegt wird. Alle 3 Jahre muss der/die Prüfer/In an einer sog. „Auffrischung“ teilnehmen, um die Lizenz für weitere 3 Jahre zu verlängern. Jetzt werden die Prüfer/Innen unter „Generalverdacht“ gestellt! Statt die wenigen Träger, deren PrüferInnen sich nicht korrekt verhalten, zu sanktionieren, soll die Kontrollfunktion jetzt von den PrüferInnen übernommen werden: Eine externe (nicht beim Träger tätige) und eine interne Aufsichtsperson für die schriftliche Prüfung DTZ und „Leben in Deutschland“, eine/ein externe/externer und eine/ein interne/interner lizenzierte/lizenzierter Prüfer/In mit Zulassung als Lehrkraft durch das BAMF für die mündliche Prüfung DTZ ab 01.04.2013 (s. Anlage zum Trägerrundschreiben vom 14.03.2012). Warum zwei schriftliche Aufsichten? Sollen die Aufsichtspersonen sich gegenseitig kontrollieren? Warum kontrolliert das BAMF dort, wo es nötig erscheint, nicht verstärkt selbst? Das wäre sicherlich kostengünstiger und unbürokratischer. Abgesehen von einem Misstrauensbeweis gegenüber den Prüfer/Innen entstehen durch diese Vorgehensweise Mehrkosten, die wir als völlig unnötig erachten. Hinzu kommen die Fahrtkosten, da der/die Prüfer/In, der/die die mündliche Prüfung abnimmt, dann auch im weiteren Umkreis prüfen müsste, und damit ein erheblicher zusätzlicher Zeitaufwand. Darüber hinaus trägt ein ständig wechselndes „Prüferteam“ sicherlich nicht zu einer angenehmen Prüfungsatmosphäre bei, da sich auch die Prüfer immer wieder neu auf ihre Kollegen einstellen müssen.

Besondere Funktion der KursleiterInnen und das Problem der Scheinselbständigkeit

Laut Bundesamt übernehmen die KursleiterInnen in der Integrationsarbeit eine besondere Aufgabe: „Im Hinblick auf die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz durch die Anforderungen an die Lehrkräfte und Prüfer sind diese nun gesetzlich normiert. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist gerechtfertigt durch die besondere Wichtigkeit der gesellschaftspolitischen Aufgabe der Integration, die nur von entsprechend qualifizierten Lehrkräften und Prüfern geleistet werden kann.“ (Begründung zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung, S. 16 zu Nummer 12 § 15/ Hervorh. d. d. Verf.)

Die Lehrkräfte und Prüfer/Innen müssen also besondere Anforderungen erfüllen, die offensichtlich das „normale Maß“ überschreiten , besondere Maßnahmen erfordern und selbst einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen. Auch wir halten unsere Arbeit für eine sehr wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, die aber auch eine entsprechende Entlohnung beinhalten muss!

Wir fordern daher von der VHS der Stadt Osnabrück GmbH bis zur Einrichtung fester Stellen einen Stundenlohn von 30 Euro.


Scheinselbständigkeit und Freiberuflichkeit lassen sich mit unserer Lehrtätigkeit nicht vereinbaren.


Zum Begriff der Scheinselbständigkeit erklärt die Bundesregierung als Antwort auf eine kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter, laut BT‐ Drs. 170/7004, dass es bei einer Beurteilung dieses Sachverhalts auf den Einzelfall ankomme und sie daher keine Aussagen hierzu treffen könne, da die einzelnen Integrationskursträger Vertragspartner der Lehrkräfte seien, und erklärt weiter:

„Bestehen Zweifel, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, kann bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (Clearingstelle) ein Antrag ... auf Statusfeststellung gestellt werden. Hierdurch erhalten die Betroffenen die Möglichkeit, sich Rechtsicherheit darüber zu verschaffen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt.“

Die Partei „Die Grünen“ erklärt bezüglich dieser Anfrage weiter:

„Wird hierbei ein „scheinselbständiges“ Arbeitsverhältnis festgestellt, so setzt die Sozialversicherungspflicht mit Aufnahme der Tätigkeit ein. Dann müssen die Arbeitgeber (gem. § 28e Abs. 1 Satz 1 SGBIV) ggf. auch rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge zahlen.“

Unsere Lehrtätigkeit muss dem Verdienst der Lehrkräfte angeglichen werden, die im staatlichen Auftrag unterrichten, dies umso mehr, als wir sowohl inhaltlich als auch methodisch staatliche Vorgaben, vermittelt über das BAMF und den Träger, umsetzen müssen. Den Migranten und Migrantinnen wünschen wir Dozenten und Dozentinnen, die sich voll ihrer pädagogischen Arbeit in den Integrationskursen widmen können, die Integration als gegenseitigen Prozess in der Erwachsenenbildung betrachten und die nicht von bürokratischen Maßnahmen, Anweisungen und Verordnungen in ihrer Arbeit behindert werden.


Osnabrück, den 09.05.2012

DozentInnen an der VHS Osnabrück


Schlagworte zu diesem Beitrag: Honorar, Freiberufler/Selbstständige, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 26.07.2012