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Neue DIE-Publikation zur Förderung von Inklusion in der Weiterbildung

Die Weiterbildungsangebote für MigrantInnen dominieren gegenwärtig Sprach- und Integrationskursen, die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entwickelt und gefördert werden und damit außerhalb des Einflussbereichs der Bildungsträger stehen. Bei den Volkshochschulen machen Kurse zu Deutsch als Fremdsprache 95 % des Gesamtangebots für MigrantInnen aus. Daneben finden sich Alphabetisierungskurse, Hauptschulabschlusskurse, spezielle Angebote für Migrantinnen und kurzzeitige betriebliche Anpassungsweiterbildungen. Die Angebote sind thematisch sehr einseitig ausgerichtet und beabsichtigen offensichtlich die Kompensation eines realen oder vermuteten Bildungs- oder Integrationsdefizites.

„Die homogene Ausrichtung des Angebots entspricht aber nicht der Heterogenität der Menschen mit Migrationshintergrund hinsichtlich Herkunft, Migrationsbiographie, Sozialisation, sozialer Klasse und sozialem Milieu, Bildungshintergrund, materieller und zeitlicher Ressourcen und rechtlicher Stellung (vgl. Öztürk/Kuper 2008, S. 158; Grünhage-Monetti/Küchler/Reutter 2008, S. 18; SINUS SOCIOVISION 2008). Die geringe Weiterbildungsbeteiligung könnte daher auch durch die Diskrepanz zwischen dem bestehenden Angebot im Bereich Migration und dem Bildungsbedarf der Menschen mit Migrationshintergrund verschuldet sein.“

Was muss geschehen, um die Weiterbildungsbeteiligung von Migrantinnen zu erhöhen und das Weiterbildungsangebot aus der offensichtlichen „Integrationsperspektive“ der Weiterbildungsträger zu holen. Claudia Stroh schlägt einen Perspektivenwechsel vor. Weg von der Integration hin zum Konzept der Inklusion. „Im Konzept der Inklusion wird Integration nicht als einseitige ‚Holschuld‘ der Migrant/inn/en gesehen, sondern wird durch die Selbstverpflichtung der Weiterbildungsinstitutionen zur Öffnung und Gewährleistung des Zugangs für Menschen mit Migrationshintergrund auch zu einer ‚Bringschuld‘ für die Aufnahmegesellschaft.“ Denn die Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund hänge in einem beträchtlichen Maße ab von den Bedingungen, die ihnen unsere Gesellschaft dafür anbiete.

Allerdings hat die Autorin berechtigte Zweifel daran, dass die Vision eines inkludierenden Weiterbildungssystems flächendeckend verwirklicht werden kann. Hohe institutionelle Hürden seien zu überwinden. „Alle Best-Practice-Einrichtungen berichten von einer hohen Finanzierungsunsicherheit, die vor allem aus der überwiegend projektfinanzierten Bildungs- und Beratungsarbeit resultiert. Institutionelle Formen der Finanzierung sind kaum zu finden. Aus diesem Grund können gute Projekte nach Ablauf des Förderzeitraums selten weitergeführt werden. Um ihren langjährigen Mitarbeiterstab und die hiermit verbundenen Kompetenzen zu halten, stehen die Einrichtungen daher vor der Herausforderung, laufend neue Projekte zu akquirieren. Gleichzeitig wird eine Unterfinanzierung der Projekte, der hohe bürokratische Aufwand für die Durchführung der Projekte und die damit verbundene Öffentlichkeitsarbeit beklagt. Auch ist die zeitintensive Beziehungs- und Beratungsarbeit häufig nicht durch die Fördergelder abgedeckt. Die im Bereich der Erwachsenenbildung bestehende Planungs- und Finanzierungsunsicherheit, welche die Weiterbildungseinrichtungen vor die Notwendigkeit stellen, unter Marktmechanismen zu agieren, dürfte die Beschreitung des Prozesses der inklusiven Öffnung im Bereich Migration erschweren. Aufgrund der vielfach gegebenen schlechten ökonomischen Lage ist es Migrant/inn/en nur begrenzt möglich, teure Weiterbildungsangebote zu finanzieren.“

Gleichzeitig warnt sie davor, die Rolle der Erwachsenenbildung zu überfordern. Letztlich könne der Bereich der Weiterbildung die bereits vorhandenen Bildungsbiografien nur geringfügig beeinflussen. Pädagogik eigne sich nun einmal nicht dazu, gesellschaftliche Gerechtigkeit zu erzeugen. „Weiterbildungseinrichtungen können daher nur ein Baustein im Konzept der Inklusion sein. Um die Teilhabechancen der Menschen mit Migrationshintergrund durch Bildung langfristig zu verbessern, sind Exklusionsrisiken bereits im Kindergarten und der Schule zu begegnen. Ebenso kann vor dem Hintergrund des ganzheitlichen Ansatzes der Inklusion die vorliegende Diplomarbeit nur einen Teilbereich im Prozess der inklusiven Öffnung von Weiterbildungseinrichtungen abdecken. Inklusion ist nicht auf den Bereich Migration zu begrenzen, sondern hat die Zielstellung, allen Bürgern/innen – unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Status – gleichen Zugang zu den Institutionen der Erwachsenenbildung zu gewährleisten, da Bildung eine herausragende Bedeutung für die Verwirklichung von individuellen Lebenschancen hat.“



Die Qualifikationsschrift „Lässt sich Inklusion in der Weiterbildung sichtbar machen? Eine Machbarkeitsstudie zur Anwendung von Indikatoren der Inklusion im Bereich Migration“ wurde an der Pädagogischen Hochschule Freiburg durch Dr. Ruth Michalek und am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) durch PD Dr. Monika Kil betreut und begutachtet.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Volkshochschule, Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 12.06.2012