Berufliche Weiterbildung

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Beim Pilotprojekt Quasie werden in Westfalen Einzelhandelskaufleute geschult

Spaß am Lernen im Laden

Knifflige Verkaufssituationen: Eine Kundin will einen Preisnachlass, eine andere den bereits gewaschenen Pullover umtauschen. Ein weiterer Kunde beschwert sich über das eingeschränkte Angebot im Laden. Wer in kleinen Fachgeschäften für Kleidung, Betten oder Brillen arbeitet, weiß nur zu gut, wie sehr es von der eigenen Reaktion abhängt, ob nach einem solchen Ereignis die Kundschaft wiederkommt - oder ob sie an die Billigmärkte draußen vor der Stadt verloren ist.

Im Projekt "Quasie" (Qualifizierung für Arbeitsplatzsicherung im Einzelhandel) haben voriges Jahr im westfälischen Hamm etwa 80 Fachverkäufer/innen aus gut 20 mittelständischen Geschäften ihre professionellen Fähigkeiten geschult. Auf überraschend effektive und motivierende Weise, berichtet Projektleiter Bernd Benikowski vom Dortmunder Bildungsdienstleister Gaus GmbH.

Jede/r Lernwillige erhielt einen iPod, auf dem sieben kurze Filmsequenzen mit typischen Verkaufssituationen abrufbar waren. Es ging darum, in ruhigen Momenten während der Arbeitszeit diese Einheiten anzuschauen und bei der nächsten Gelegenheit das optimale Verhalten selbst auszuprobieren. Benikowski spricht von "Impulslernen": konzentriert Neues aufnehmen und im Idealfall gleich umsetzen. Später kommt die Reflexion dazu; jede/r schreibt die gemachten Erfahrungen auf und liest eine Lektion im Lernbrief zum geübten Thema.

Quasie ist der Versuch, arbeitsplatznahe Weiterbildung in einer Branche zu etablieren, in der die üblichen Schulungsformen und -termine schlecht passen. Arbeiten Fachverkäufer/innen doch oft Teilzeit, an sechs Tagen die Woche, zu ungewöhnlichen bis ungünstigen Uhrzeiten.

Diese Ausgangslange hat den Einzelhandelsverband Westfalen-Münsterland und ver.di veranlasst, das Pilotprojekt zu starten, finanziert von der "Initiative weiter bilden", die sich aus ESF- und Bundesmitteln speist. Immer dann, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaft gemeinsam vorgehen, können sie Geld für neue Qualifizierungswege nach der so genannten Sozialpartnerrichtlinie beantragen (www.initiative-weiter-bilden.de).

Finanzierung nach der Sozialpartnerrichtlinie

Zunächst wurden Beschäftigte und Inhaber der Fachgeschäfte in der Innenstadt Hamms sowie im benachbarten Einkaufszentrum nach dem Bildungsbedarf gefragt, berichtet Bernd Benikowski. "Wie man gute Verkaufsgespräche führt, haben alle einmal gelernt. Aber es ist wichtig, sich wieder einmal die Details zu vergegenwärtigen."

Das geschah mit den kurzen Filmen, die Modellösungen anbieten, gespielt von den Beschäftigten der beteiligten Firmen selbst. Gefreut hat den Bildungsprofi, wie häufig sich Kolleg/innen miteinander die Sequenzen ansahen, dabei ins Gespräch über ihre Arbeit kamen und gleich Neues ausprobierten. "Manchmal sind sie auf Probleme im Arbeitsablauf gestoßen und haben das dann sofort mit Vorgesetzten besprochen und verändert."

Das Pilotprojekt ist inzwischen abgeschlossen; weitere Städte in Westfalen werden folgen. Und Ulrich Mathiak, Quasie-Verantwortlicher bei ver.di, glaubt, dass es auch in Hamm weitergeht: "Viele der Facheinzelhändler sehen, dass sie dem Konkurrenzdruck von Einkaufszentren auf der grünen Wiese nur durch qualifiziertes Verkaufspersonal begegnen können. Es gibt Signale, dass sie - nun auf eigene Kosten - die Weiterbildung fortsetzen wollen, eventuell koordiniert durch das Stadtmarketing." - Mehr Informationen zum Thema unter www.quasie.de


Quelle: ver.di News 6/2012


Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Betriebliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 07.04.2012