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Mogelpackung Integrationskurse

Die BAMF verkündete jüngst eine Honorarerhöhung für Lehrer an Integrationskursen. Eine gute Nachricht? Eine Integrationskursdozentin geht der Sache auf den Grund und stellt fest: Die Erhöhung ist eine Mogelpackung.

Gute Nachrichten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus Nürnberg: Die von ihr an die Träger gezahlte Vergütung von bislang 2,34 € pro TeilnehmerIn und Unterrichtseinheit wird ab sofort auf 2,54 € angehoben; das – vom BAMF vor Jahren willkürlich festgelegte – „Mindesthonorar“ von 15 € brutto pro Unterrichtstunde wird auf 18 € erhöht. Welch frohe Kunde für Träger und DozentInnen in den Integrationskursen! Halleluja!

Bei näherem Hinsehen stellt sich die großartige Erhöhung als Mogelpackung heraus. Denn bislang gezahlte Pauschalen werden gekürzt oder gestrichen, insbesondere bei den Alphabetisierungs- und Elternkursen. Eine exemplarische Berechnung eines Anbieters diverser BAMF-Kurse weist gerade mal ein Plus von 1,5% aus; je nach Auslastung und Angebot könnten die Träger auch 1,7% Mehreinnahmen erzielen. Bei gleichzeitig gestiegenen Kosten durch zunehmenden bürokratischen Aufwand dürfte die Kalkulation der Schulen eher schlechter denn besser aussehen.

Das BAMF hegt jedoch „die Erwartung“, dass durch diese Erhöhung die Honorare der DozentInnen um ganze 20% steigen sollen. Doch wie die Dinge liegen, werden im besten Falle diejenigen Lehrkräfte von den Neuerungen profitieren, die bisher unter 18 € verdienten – alle anderen werden wohl leer ausgehen! Und wer bisher nur 15 € hatte: Auch von 18 € pro Unterrichtseinheit kann eine voll ausgelastete Deutschdozentin weder leben noch sterben!

Auf der Strecke bleiben also wieder die Lehrkräfte, die seit Einführung der Integrationskurse im Jahr 2005 entweder starke finanzielle Einbußen hinnehmen mussten oder niemals eine Honorarerhöhung erhielten. 80% der Lehrkräfte sind als FreiberuflerInnen in voller Höhe sozialversicherungspflichtig, Krankheit, Ferien, Ausfalltage, Vor- und Nachbereitung sowie Fortbildungen werden ihnen nicht vergütet, sie sind nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert. Viele müssen mittlerweile durch Hartz-IV aufstocken.

Seit Einführung der Integrationskurse protestieren die Aktion Butterbrot und das DaZ-Netzwerk gemeinsam gegen die prekären Arbeitsbedingungen im Auftrag des Staates. Im Februar legten auf Betreiben des Netzwerks alle 16 Integrationsminister der Bundesregierung einen Beschluss vor, in dem der Besorgnis über die schlechten Honorare Ausdruck verliehen und der Bund aufgefordert wurde, dringend Abhilfe zu schaffen. Diverse Bundespolitiker versprachen, sich für die Belange der DozentInnen einzusetzen.

Ohne Erfolg: Der zuständige Innenausschuss lehnte eine Erhöhung des Budgets für die Integrationskurse ohne jegliche Diskussion ab: keinen Cent mehr für Integrationskurse! Der Schwarze Peter der Unterfinanzierung wird, wie gehabt, bloß durchgereicht, vom Innenausschuss ans BAMF, vom BAMF an die Träger, von den Trägern an die Lehrkräfte. Warum sollte das Innenministerium oder das BAMF Verantwortung für die skandalösen Honorare übernehmen? Steht es den Trägern doch frei, ihren Dozenten aus 2,54 € pro Teilnehmer auch Spitzenhonorare zu zahlen!

Der nichts ahnenden Gesellschaft allerdings wird weiterhin die „Erfolgsgeschichte Integrationskurse“ vorgespielt, von deren chronischer Unterfinanzierung fällt nicht ein Wort.

Die Lehrkräfte bekommen derweil viele warme Worte zu hören; mittlerweile können (oder müssen) sie damit ihre Wohnungen beheizen. Mit dem Schwarzen Peter und Hartz-IV unter einem Dach, in enger Nachbarschaft zur Altersarmut: Das ist die interkulturelle Bedarfsgemeinschaft, in die sich Deutschlands Integrationskurs-LehrerInnen abgeschoben fühlen. Ist es da zu viel verlangt, dass sie weiterhin den Unterricht lebendig und den neusten Erkenntnissen entsprechend gestalten, alle Anwesenheits-, Unterschriften- und sonstige Listen ordnungsgemäß führen, jeden einzelnen Schüler individuell fördern und fordern, kurz, mit Hingabe ihre Aufgabe erfüllen, die MigrantInnen so schnell wie möglich für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen?

Weit gefehlt: Erst die schlechte Bezahlung macht sie zu den solidarischen, überzeugenden, durch harte Lebenserfahrung gereiften Lehrern und Lehrerinnen, die unser Land für das Fortschreiben der Erfolgsgeschichte der Integrationskurse braucht. Dank dafür den politisch Verantwortlichen!


Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von MiGAZIN, unabhängiges Online-Magazin mit Themen rund um Integration und Migration in Deutschland


Schlagworte zu diesem Beitrag: Honorar, Freiberufler/Selbstständige, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 20.12.2011