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Weiterbildung statt Ein-Euro-Jobs

Hinter dem Regierungsentwurf verbirgt sich nicht weniger, als die größte Arbeitsmarktreform in der Amtszeit der großen Koalition. Seit Monaten standen beim Arbeitsministerium alle Instrumente zur Arbeitsförderung und Eingliederung von Arbeitssuchenden in den Arbeitsmarkt auf dem Prüfstand: Mit dem erklärten Ziel, die Zahl der Maßnahmen zu reduzieren.

Ein Ergebnis: Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) werden auf Drängen der Union komplett abgeschafft, die Ein-Euro-Jobs aber bleiben. Vor allem dieser Punkt stößt auf deutliche Kritik des DGB. Langzeitarbeitslose würden dadurch weiter benachteiligt. Denn die kurzfristigen Ein-Euro-Jobs bieten mit einer durchschnittlichen Beschäftigungszeit von nur sechs Monaten weit weniger Chancen auf eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt, als die langfristiger und nachhaltiger angelegten ABM. Dass die Ein-Euro-Jobs als Arbeitsmarktinstrument wenig effektiv sind, hat auch der Bundesrechnungshof bestätigt: Die Mehrheit der TeilnehmerInnen ist auch nach Ende der „Maßnahme“ weiter hilfebedürftig. Die Zahl der Ein-Euro-Jobs solle deshalb deutlich zurückgefahren und etwa durch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung ersetzt werden, fordert DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy: „Ein-Euro-Jobs müssen ein Ausnahmetatbestand werden.“

Weiterer Kabinettsplan: Die ArbeitsvermittlerInnen sollen mehr Ermessensspielräume bei der Vergabe von Leistungen bekommen. „Mehr Flexibilität“ soll das laut Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) bringen, statt „im großen Maßstab alles nach Detailhubereien zu organisieren“. Der DGB befürchtet aber, dass genau das in Kombination mit vorgesehenen Verschärfungen verschiedener Sanktionsmechanismen „bestehende Nachteile eher verstärkt“ – der Ermessensspielraum also nach unten ausgelegt wird. Sinnvoller sei es, den FallmanagerInnen in den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) echte finanzielle Entscheidungsgewalt zu geben, wenn sie Arbeitssuchenden und Hilfebedürftigen individuelle Angebote zur Sucht- und Schuldnerberatung oder zur Kinderbetreuung machen wollten. Der DGB unterstützt deshalb den im Gesetzentwurf geplanten so genannten „Experimentiertopf“. Zwei Prozent des Finanzvolumens der aktiven Arbeitsförderung sollen zur Verfügung gestellt werden, um individuelle Förderangebote zu machen. Neben dem DGB fordern auch Länder und Kommunen, diesen Prozentsatz noch aufzustocken.

Grundsätzlich positiv beurteilt der Gewerkschaftsbund die geplanten Programme, um jungen Menschen ohne Schulabschluss zumindest den Hauptschulabschluss zu ermöglichen. Trotzdem setzt sich damit ein Trend fort, den der DGB seit Längerem kritisiert: Statt gesamtgesellschaftliche Ausgaben aus Steuermitteln zu finanzieren, werden die Kosten den Beitragszahlern der Arbeitslosenversicherung aufgebürdet. Damit würde die Solidargemeinschaft – vor allem die kleinen und mittleren Beitragszahler – für „Defizite im schulischen Bildungssystem in Haftung genommen“, meint Adamy.

Auch beim Arbeitslosengeld I (ALG I) sieht der DGB Nachholbedarf – und will den Kreis der Arbeitslosen erhöhen, die Anspruch auf ALG I haben. Bisher gilt das für Arbeitslose, die in den letzten zwei Jahren vor dem Jobverlust mindestens 12 Monate sozialversichtungspflichtig beschäftigt waren. Der DGB will diesen Zeitraum auf drei Jahre erhöhen und hat in der Experten-Anhörung zum Gesetzentwurf entsprechende Vorschläge gemacht. Als Ergebnis der Anhörung hoffe er darauf, dass sich die Koalition noch auf diese Änderung verständige, erklärt Adamy.


Quelle. Einblick 21/2008


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 07.12.2008