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Bundesarbeitsministerium kann keine sittenwidrige Entlohnung in der Weiterbildung erkennen.

Wir dokumentieren hier die wesentlichen Ausführungen im Antwortschreiben zur Frage der sittenwidrigen Entlohnung von Beschäftigten in der Weiterbildung:


"Darüber hinaus war beabsichtigt, über eine im Zuge der Vergaberechtsreform geplante Regelung zur Anwendung sozialer Bedingungen für die Auftragsausführung die tarifliche Entlohnung der Ausführungskräfte zu verlangen. Diese Möglichkeit ist vor dem EuGH gescheitert, der hierzu einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag voraussetzt (Urteil vom 03.04.2008 zur Tariftreueregelung des Niedersächsischen Vergabegesetzes – Rs. C-346/06 „Rüffert“).

Nach Maßgabe der Rechtslage besteht keine wirtschaftliche und rechtssichere Handhabe ohne wirksamen allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag. Die Bieter sind nicht verpflichtet, ihre Entgeltkalkulation offenzulegen und die Bundesagentur ist ihrerseits nicht verpflichtet, die Offenlegung zu fordern. Die Bundesagentur erhält im Bereich der Arbeitsmarktdienstleistungen mehr als 40.000 Angebote im Jahr. Bei 20 % bis 30 % der Angebote überprüft die Bundesagentur die Kalkulation der Angebote. Damit ist eine Stichprobe gegeben, die aus hiesiger Sicht ausreichend ist, um ggf. sittenwidrige Entgelte zu verhindern.

Leider ist nicht zu erwarten, dass selbst bei Überprüfung aller Bieterangebote eine Vielzahl von Fällen aufgedeckt werden, in denen die Bieter sittenwidrig niedrige Vergütungen an ihre Mitarbeiter zahlen. Gemäß Â§ 25 Nr. 2 Abs. 2 und Abs. 3 VOL/A überprüft die Bundesagentur bereits jetzt bei ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebotspreisen vor der Zuschlagserteilung, ob diese Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen. Die Kalkulationen der Träger werden angefordert, wenn die Preisangebote der Träger wesentlich vom geschätzten Auftragswert abweichen. Bei den auf dieser Grundlage überprüften Kalkulationen hat die Bundesagentur nach eigenen Angaben bislang keine Vergütungszahlungen festgestellt, die eindeutig dem Bereich der Sittenwidrigkeit zugeordnet werden konnten. Dabei geht die Bundesagentur davon aus, dass Löhne als sittenwidrig anzusehen sind, die mindestens 20 % bzw. 30 % unterhalb der tariflichen oder der ortsüblichen Vergütung liegen. Wenn Sie hier über belastbare andere Erkenntnisse verfügen, bitte ich Sie, diese meinem Hause zuzuleiten.

Der Prüfmaßstab der Bundesagentur ist nicht zu beanstanden. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat es bisher vermieden, eine feste Grenze für die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung festzulegen. Die Rechtsprechung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass jedenfalls 50 % des Tariflohns nicht unterschritten werden dürfen und andererseits bei 70 % des Tariflohns in der Regel nicht von einem auffälligen Missverhältnis ausgegangen werden kann. Das von Ihnen angeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist bisher eine Einzelfallentscheidung, in der die besonderen Umstände des konkreten Falles berücksichtigt wurden. Bei einer Spanne von 50 % bis 70 % des Tariflohns hängt die Entscheidung über die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung nach der Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalles ab.

Soweit ein Angebot in erkennbarer Marktverdrängungsabsicht erstellt wurde bzw. nicht auskömmlich ist, schließt die Bundesagentur den Bieter vom Vergabeverfahren aus. Bei sittenwidriger Entlohnung besteht die Möglichkeit, den Bieter mangels Zuverlässigkeit vom Vergabeverfahren auszuschließen. Der Verstoß gegen § 138 BGB ist im Rahmen der Prüfung der Zuverlässigkeit ein wesentliches Kriterium. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird der Bundesagentur seine Rechtsauffassung mitteilen und um Beachtung bitten.

Mit freundlichen Grüßen

Detlef Scheele"


Sie können das vollständige Antwortschreiben hier als pdf-Datei herunterladen.

Hier geht es zum Brief des Betriebsrätearbeitskreises.


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Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 13.06.2008