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Die Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die BA stagniert auf niedrigem Niveau

Anfang Juni 2007 meldete der Pressediensts des Deutschen Bundestags: „Weiterbildungssektor zieht kräftig an“. Grundlage der Meldung war die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. Die Fraktion wollte Informationen über Umfang und Maßnahmedauer der Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) erhalten. In der Antwort der Bundesregierung findet sich dann die Quelle für die Pressemeldung:

„Die Bundesregierung ist unverändert der Auffassung, dass für eine Verbesserung des Innovations- und Wachstumspotentials in Deutschland und zur Verbesserung der individuellen beruflichen und arbeitsmarktlichen Chancen auch die berufliche Weiterbildung von erheblicher Bedeutung bleibt. Im Zuge der guten Konjunkturentwicklung und der anziehenden Nachfrage nach Fachkräften haben die Agenturen für Arbeit und Arbeitsgemeinschaften ihre Förderanstrengungen erheblich ausgeweitet und 2006 fast doppelt so viele Eintritte wie im Jahr 2005 gefördert. Diese positive Tendenz setzt sich auch in diesem Jahr fort. Bis April sind mit rd. 108 000 Eintritten rd. 110 Prozent mehr Eintritte in Weiterbildung gefördert worden als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.“

Was ist dran an der Behauptung von erheblich ausgeweiteten Förderanstrengungen? Schauen wir uns zunächst die Bestandszahlen an.



Seit 2002 hat die BA die Förderung der beruflichen Weiterbildung erheblich reduziert. Von einem durchschnittlichen Teilnehmerbestand von 339.918 in 2002 reduzierte sich der durchschnittliche Bestand auf 114.350 TeilnehmerInnen in 2005. Das entspricht einem Rückgang von 66,4 %. In 2006 gab es durchschnittlich 4.428 oder 3,9 % mehr TeilnehmerInnen. Von einem kräftig ansteigenden Weiterbildungssektor war weit und breit nichts zu sehen. Die Zahlen sprechen für Stagnation, nicht für einen Anstieg der Förderanstrengungen der BA.


Förderpraxis der ARGEn rettet die schlechte Bilanz der BA

Die genannten Zahlen beziehen sich auf die Förderung durch die BA im Rahmen des SGB III und die Förderungen der ARGEn im Rahmen des SGB II, in denen die BA beteiligt ist. Schaut man sich die Förderpraxis im Rechtskreis SGB III an, sieht die Lage noch schlechter aus.



Insgesamt schwankt die Zahl der TeilnehmerInnen seit Anfang 2005 um einen Wert von 120.000. Seit dem absoluten Tiefstand im August 2005 mit nur noch 95.396 Teilnehmerinnen pendeln die Teilnehmerzahlen um diesen Wert, mit einem ganz minimalen Trend nach oben. Im ersten Halbjahr 2007 waren es durchschnittlich 121. 550 TeilnehmerInnen.

Im gleichen Zeitraum sinkt die Förderung im Rechtskreis des SGB III kontinuierlich, mit einem Tiefstand von 61.270 TeilnehmerInnen im Januar 2007. Von Januar bis Juni 2007 liegt die Teilnehmerzahl in der beruflichen Weiterbildung bei die BA unterhalb des niedrigsten Monatwerts des gesamten Jahres 2006! Nur die gegenüber 2006 leicht gestiegenen Teilnehmerzahlen im Rechtskreis des SGB II retten die Statistik. Ohne die knapp 60.000 TeilnehmerInnen in diesem Bereich wäre die Förderung der BA auf 65.640 TeilnehmerInnen gesunken. Das entspricht einem Rückgang gegenüber 2002 um 80,7 %!


BA setzt auf kurze Maßnahmedauer und schnelle Arbeitsmarktintegration
Der scheinbare Widerspruch zwischen weiter rückläufigen Teilnehmerzahlen im Bereich des SGB III und dem angeblich kräftig ansteigenden Weiterbildungssektor lässt sich leicht auflösen. Die BA setzt seit 2003 auf Maßnahmen von kurzer Dauer in der beruflichen Weiterbildung.



So kann ein Platz mehrmals im Jahr besetzt werden. Das erhöht die Zahl der Neueintritte kräftig, während die gesamten Anstrengungen in der beruflichen Weiterbildung bei der BA konstant bleiben. Die Bundesregierung schreibt dazu in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage:

„Der konsequent auf eine erfolgreiche und schnelle Arbeitsmarktintegration ausgerichtete Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente führte zwar in den Jahren 2003 bis 2005 zu einem Rückgang der Teilnehmerzahlen in der beruflichen Weiterbildung, erhöhte aber deren Wirksamkeit. Insgesamt hat die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik auch einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass zum 1. Januar 2007 der Beitragssatz zur Arbeitsförderung von 6,5 Prozent auf 4,2 Prozent gesenkt werden konnte.“

Noch Anfang 2003 betrug die Zahl der Neueintritte, bezogen auf die jeweilige Teilnehmerzahl, ca. 7 – 8 % monatlich. Die Zahl der Neueintritte erreicht bei diesem Verhältnis in etwa die Zahl der durchschnittlichen Teilnehmerzahl. Das entspricht einer durchschnittlichen Maßnahmedauer von einem Jahr. 2007 ergibt sich ein völlig anderes Bild. Jetzt beträgt dieser Wert gut 20 %. Bei solch einem Verhältnis zwischen Neueintritten und Teilnehmerzahlen wird jeder Platz nach gut 4 Monaten durch einen neuen Teilnehmer besetzt. Die durchschnittliche Maßnahmedauer hat sich auf 4 – 5 Monate reduziert.




Berufliche Qualifizierung als Auslaufmodell in der Weiterbildung

Die BA hat durch ihre neue Geschäftspolitik, ausgerichtet auf „Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit“ und dem neu eingeführten Aussteuerungsbetrag, Maßnahmen mit dem Ziel eines Abschlusses in einem anerkannten Beruf drastisch reduziert.

Die Zahl der Neueintritte in solche Maßnahmen ging von 2002 auf 2005 um 78.980 TeilnehmerInnen oder 83 % zurück. Bei den bis zu dieser Zeit üblichen Gruppenmaßnahmen verringerte sich der Bestand von 2002 auf 2006 um 105.027 oder 74,5 %. Die Entwicklung in den Teilnehmerzahlen hinkt dem drastischen Rückgang bei den Neueintritten immer zeitlich hinterher. Denn bewilligte Maßnahmen dauern in der Regel 24 Monate, während dieses Zeitraums befinden sich die TeilnehmnerInnen dauerhaft in den Bestandszahlen.




Keine gravierenden Änderungen bei den Ausgaben für die berufliche Weiterbildung bei der BA

Auch bei den Ausgaben ist kein größerer Anstieg zu verzeichnen. Bis auf das 4. Quartal 2006 liegen die Ausgaben durchweg unten denen der letzten 1 ½ Jahre. Gegenüber dem 1. Quartal 2005 ist ein deutlicher Rückgang in allen 4 Quartalen 2006 zu erkennen. Teilweise beträgt der Rückgang hier fast 50 %.

2001 betrugen die Ausgaben für die berufliche Weiterbildung (ohne Unterhaltsgeld/Arbeitslosengeld) 2.778 Millionen Euro. 2005 waren sie um 69,4 % oder 1.928 Milliarden Euro auf 850 Millionen Euro gesunken. Der Anstieg auf 904 Millionen Euro in 2006 entspricht immer noch einem Rückgang von 67,5 %, bezogen auf die Ausgaben in 2001.



Fast man alle Daten zusammen, so kann von einem „kräftig ansteigenden Weiterbildungssektor“ keine Rede sein. Lediglich die Zahl der Neueintritte steigt kräftig an. Dies ist Folge des Rückzugs der BA aus berufsqualifizierenden Maßnahmen und nicht einem wieder größeren Engagement der BA in die berufliche Weiterbildung geschuldet. Aber wer endlich wieder gute Nachrichten vermelden will, der klammert sich an jede Zahl, die steigt. Wen interessieren da schon Zusammenhänge und Hintergründe. Und wer wollte das Publikum damit belasten. Der Pressedienst des Deutschen Bundestags wollte oder durfte das Publikum nicht mit der ganzen Realität konfrontieren.


Einst hochgelobte Trainingsmaßnahmen verharren auf niedrigem Niveau

Noch vor wenigen Jahren galten sie als die optimale Ergänzung für längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen: Die Trainingsmaßnahmen! Kurz und effizient, leicht planbar und doch so erfolgreich. Mit ihnen sollten die reduzierten Anstrengungen bei der beruflichen Weiterbildung ausgeglichen werden. Geblieben ist auch hier ein geschrumpftes Segment im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahmen durch die BA.



Ihren absoluten Höchststand an TeilnehmerInnen verzeichnen die Maßnahmen im Herbst 2003. Da waren es zwei Monate lang mehr als 130.000 TeilnehmerInnen, die gefördert wurden. Im Monat vor der Einführung des ALG II (Dezember 2004) verzeichnete die Statistik 48.289 TeilnehmerInnen und damit knapp 63 % weniger. Inzwischen pendelt der Wert um eine Marke von 70.000 TeilnehmerInnen.

Die Teilnehmerzahlen liegen 2006 und 2007 leicht über den Monatswerten von 2005, ohne jedoch an die Werte aus 2003 heranzukommen. Doch auch diese Werte sind wiederum geschuldet den Aktivitäten der ARGEn im Rechtskreis des SGB II. In 2007 erreichen die Teilnehmerzahlen im Rechtskreis des SGB III nie die Marke von 40.000 TeilnehmerInnen. Den höchsten Wert registriert die Statistik im März 2007 mit 39.785 TeilnehmnerInnen, den niedrigsten im Januar 2007 mit 24.107. In allen Monaten 2007 übertreffen die Teilnehmerzahlen im Rechtskreis des SGB II die Werte aus dem Rechtskreis des SGB III:

Im Rechtskreis des SGB III wurden 2007 durchschnittlich im Monat 33.020 TeilnehmerInnen gezählt. Im Rechtskreis des SGB II waren es durchschnittlich 38.954 und damit gut 15 % mehr TeilnehmerInnen.




Fazit

Die BA verfolgt im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung zielstrebig ihre neue Geschäftspolitik. Weiterbildung nur, wenn sie unmittelbar in Arbeit führt. Längerfristige und berufsqualifizierende Maßnahmen spielen eine völlig untergeordnete Rolle. Kein Wunder, wer will heute mit 70 prozentiger Sicherheit vorhersagen, ob in gut 2 Jahren nach Abschluss einer solchen Maßnahme genügend Jobs vorhanden sind und damit die erforderliche Eingliederungsquote erreicht wird.

Die Änderungen der Teilnehmerzahlen nach unten wie nach oben sind jahreszeitlichen Schwankungen geschuldet. Die Förderpolitik der BA ist geradlinig ausgelegt; auf einem sehr niedrigen Niveau stagnierend. Alle Lippenbekenntnisse von Politikern und Vorstandsmitgliedern der BA erzeugen noch keine Änderung der Förderpraxis im Rahmen der beruflichen Weiterbildung. Diese Realität spiegeln Monat für Monat die Berichte der BA wider. Es empfiehlt sich, sie zu lesen, bevor man einen PR-Artikel aus dem Bundestag unkommentiert nachdruckt.


Quellen: Monatsberichte der BA, Juni 2007
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 16/5458


Peter Schulz-Oberschelp
Netzwerk-Weiterbildung


Sie können den Artikel als pdf-Datei und die aktuellen Daten der BA zur FbW als exc-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 04.07.2007