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Chancengleichheit: Umfassende und sozial gerechte Finanzierung lebenslanger Bildung

Der Antrag beschäftigt sich mit allen Phasen lebenslangen Lernens von der Kita bis zur Weiterbildung.

Zur Weiterbildung stellt der Beschluss fest:

Weiterbildung

Problembeschreibung/Analyse:


Die Notwendigkeit lebenslangen Lernens findet seinen Focus in der Weiterbildung. Deshalb ist es besonders in diesem Bildungsabschnitt bedauerlich, dass die Aufwendungen rückläufig sind. Dieser Rückgang betrifft zum einen die Ausgaben für betriebliche Weiterbildung, bei denen Deutschland das Schlusslicht unter den EU Staaten bildet. Überwiegend werden nur kurzfristige betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen finanziert.

Tarifliche Regelungen hierzu gelten nur für 5% der Unternehmen, in 20 - 25% der Betriebe werden Betriebsräte mit Fragen betrieblicher Weiterbildung befasst. Auf der anderen Seite zieht sich der Staat zunehmend aus der Finanzierung von Weiterbildung zurück. Dies gilt u.a. für die Gemeinden, die wegen der leeren Kassen ihre Zuschüsse z.B. für die Volkshochschulen immer weiter kürzen und insbesondere gilt dies auch für die bislang von der Bundesagentur für Arbeit finanzierte berufliche Weiterbildung. In den letzten drei Jahren haben sich die Zahlen der Teilnehmern/innen für SGB-III geförderte Weiterbildung von ca. 360.000 auf unter 100.000 reduziert.

Auf Grund sinkender Realeinkommen sind auch die privaten Aufwendungen für Weiterbildung rückläufig. Trotz Einsicht in die Notwendigkeit von Weiterbildung gibt es einen großen Kreis von Nie-Teilnehmern/innen an Weiterbildungsmaßnahmen, zu denen vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen, Migrantinnen und Migranten, Bildungsabbrecher/innen und Langzeitarbeitslose gehören. Das von der Bundesbildungsministerin vorgeschlagene Konzept zum „Bildungssparen“ ist noch nicht einmal ansatzweise geeignet die beschriebenen Probleme zu lösen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Bereichen der Bildung existieren in der Weiterbildung, der sog. 4.Säule des Bildungssystems, gesetzliche Regelungen praktisch nicht. Ein Weiterbildungsgesetz wird von der jetzigen Bildungsministerin abgelehnt.

Auch die Sozialgesetzbücher II und III enthalten keinerlei Rechtsansprüche für arbeitslose Arbeitnehmer/innen an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Lediglich das SGB IX enthält noch einen solchen Rechtsanspruch für Rehabilitanden/innen, der allerdings in der Realität immer mehr in Frage gestellt wird.

Zielsetzungen:

Der Weiterbildungsbereich ist durch ein Rahmengesetz zu ordnen, in welchem insbesondere der Anspruch und die Finanzierung geregelt werden sollen.

Weiterbildungen zum Erhalt der Arbeitskraft sind grundsätzlich vom Arbeitgeber zu finanzieren und sollen durch tarifliche Regelungen präzisiert werden.

Dabei ist davon auszugehen, dass sich Arbeits- und Lernphasen abwechseln und eine gegenseitige Anerkennung finden. Weiterbildung soll grundsätzlich unterstützt und honoriert werden.

Forderungen:

ver.di fordert deshalb ein grundlegendes Umdenken in der Weiterbildungspolitik. Dabei sind mindestens folgende Punkte zu berücksichtigen:
  • für Weiterbildung muss ein Rechtsanspruch in einem Weiterbildungsrahmengesetz des Bundes gesetzlich verankert werden,

  • Weiterbildung für Beschäftigte ist grundsätzlich vom Arbeitgeber zu finanzieren und soll in Tarifverträgen geregelt werden,

  • für die Zeit der Teilnahme an einer Weiterbildung muss auch der Lebensunterhalt entweder vom Arbeitgeber oder vom Staat finanziert werden,

  • Weiterbildung für nicht Erwerbstätige und Rehabilitation müssen auf eine gesicherte steuerliche Finanzierung gestellt werden, hierfür sind Staat und Arbeitsagentur zuständig,

  • Menschen mit Behinderungen und/oder mit Vermittlungshemmnissen bedürfen hierbei einer besonderen Förderung,

  • für Frauen oder Männer, die nach mehrjähriger Familienphase wieder in das Berufsleben zurückkehren wollen, sind Qualifizierungsmaßnahmen - insbes. auch während der Phase der Erwerbsunterbrechung - zu ermöglichen oder berufliche Neuausrichtungen gesetzlich zu regeln,

  • Lernzeitansprüche sind zu definieren und z.B. dahingehend abzusichern, dass das alleinige Zugriffsrecht bei den Weiterzubildenden liegt.

Die Teilnahme an Weiterbildung darf nicht zu Überlast und zu Benachteiligungen im Arbeitsverhältnis führen.

Kurzfristig gilt: Solange die Finanzierung der beruflichen Weiterbildung nicht auf ein gesichertes steuerfinanziertes Modell umgestellt wird, muss die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen, insbesondere für arbeitslose und behinderte Personen, über die Sozialgesetzbücher II, III und IX gesichert bzw. wiederhergestellt werden.

Geschätzter Finanzbedarf:

Der Finanzbedarf für die Weiterbildung wird davon abhängen, inwieweit unsere vorgeschlagenen Maßnahmen greifen bzw. Weiterbildung in Anspruch genommen wird. Er ist deshalb bundesweit derzeit kaum zu quantifizieren.

Der Finanzbedarf für Weiterbildung nicht beschäftigter Arbeitnehmer/innen (einschließlich jugendlicher Schulabgänger/innen) und von Menschen mit Behinderungen sollte mindestens den Umfang haben, den der Eingliederungstitel der Bundesagentur für Arbeit vor den „Hartz-Gesetzen“ durchschnittlich hatte und ist mit etwa 15 Mrd. € zu veranschlagen.


Quelle: Antrag des Bundesfachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung an den 2. Ordentlichen ver.di Bundeskongress

Sie können den gesamten Antrag hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 27.05.2007