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Qualifizierung in der Arbeitsmarktpolitik – mehr als Förderung der beruflichen Weiterbildung



1. Herstellung von „Beschäftigungsfähigkeit“ als vordringliche Aufgabe von Vermittlung

Schon seit längerem lassen sich auf dem Arbeitsmarkt zwei mit einander verkoppelte Sachverhalte beobachten: Zum einen sind dies Verdrängungsprozesse von Personen mit vergleichsweise geringer formaler Bildung (ohne bzw. mit niedrigem Schul- und/oder Ausbildungsabschluss) durch solche mit mittleren bzw. höheren Bildungsabschlüssen. Zum anderen lassen sich Personen mit längerer Arbeitslosigkeit kaum noch direkt in reguläre Beschäftigung vermitteln.

In der öffentlichen Diskussion wird dieses Phänomen vielfach als Ausdruck mangelnder Arbeitsmarktnähe bzw. „Beschäftigungsfähigkeit“ der entsprechenden Personen verhandelt. Damit sind zwei unterschiedliche Probleme angesprochen, die über berufliche Qualifizierung behoben werden können. Das eine betrifft Mängel fachlicher und fachübergreifender Qualifikationen, das eine Schwierigkeiten sozialer Integration in ein bestimmtes berufliches (betriebliches) Arbeitsfeld. Die tendenziell gleichwertige Bearbeitung beider Probleme als Vermittlungshemmnisse rückt ins Zentrum von Vermittlungsarbeit.


2. Aktualisierung von Qualifikationen wird zu einer zunehmend wichtigeren arbeitsmarktpolitischen Aufgabe

Es ist sicherlich nicht zu leugnen, dass gegenwärtig das duale System der Berufsausbildung seiner genuinen Aufgabe der Qualifikationsversorgung Jugendlicher mehr schlecht als recht nachkommt und deshalb über arbeits-marktpolitische Programme Aufgaben abgedeckt werden, die eigentlich ins Bildungssystem gehören. Desgleichen ist nicht auszuschließen, dass momentan auch genuine Aufgaben betrieblicher Weiterbildung auf die öffentlich geförderte Weiterbildung abgewälzt werden. Von daher ist auf längere Sicht darauf zu achten, diese Aufgaben wieder an die entsprechenden Teilsysteme beruflicher Bildung zu redelegieren.

Trotzdem wird eine über arbeitsmarktpolitische Programme finanzierte, stabile „Qualifizierungssäule“ immer wichtiger. Dies liegt an zwei Sachverhalten: Zum einen an einem forcierten Wandel von Anforderungen in der Arbeitswelt, zum anderen an strukturell bedingten Grenzen des beruflichen Erstausbildungssystems, alle Erwerbspersonen mit den jeweils erforderlichen fachlichen und fachübergreifenden Qualifikationen auszustatten. Die Teilhabe an Erwerbsarbeit bindet sich also an eine über „Weiterbildung/-lernen“ vermittelte Aktualisierung von Qualifikationen. Dies gilt in besonderem Maße für Personen, die entweder schon seit längerem arbeitslos sind oder aber geringfügig arbeiten und dabei auf Arbeitsplätzen eingesetzt werden, die wenig lernförderlich sind.
Die beobachtbare – in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer durch die Hartz-Evaluation belegten Wirksamkeit stehende – Rückläufigkeit von FbW ist vor diesem Hintergrund ein falsches Signal.


3. Qualifizierung ist als Mechanismus sozialer Integration anzulegen

Die Vermittlung aktueller fachlicher Wissensbestände ist die eine Aufgabe, die Qualifizierung zu leisten hat. Gleichwohl gilt, dass die Einmündung in gut bezahlte Erwerbsarbeit nicht allein– und unter bestimmten Voraussetzungen nicht einmal in erster Linie – an Mängeln fachlicher Qualifikationen scheitert, sondern an Unsicherheiten auf Seiten der Betriebe, wieweit die Bewerber den betrieblichen Leistungsansprüchen genügen.

Diese Unsicherheiten wurden in der Vergangenheit vielfach durch den Rückgriff auf Rekrutierungen über die eigene duale Ausbildung entschärft, die immer auch der betrieblichen Sozialisation in und durch Arbeit diente. Gerade weil heute für die Qualifikationsversorgung der Betriebe die Rekrutierung von Arbeitskräften vom Arbeitsmarkt, aus arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder aus überbetrieblichen Ausbildungsverbünden wichtiger wird, gewinnt ein im doppelten Sinne von Wissensvermittlung und Sozialisation gefasster Zuschnitt von Qualifizierungsmaßnahmen, der die Grenzen zwischen internen und externen Arbeitsmärkten verflüssigt, an Bedeutung. Dies setzt freilich voraus, dass Maßnahmen tatsächlich als Lern- und Erprobungsfeld konzipiert und nicht für andere Zwecke (Überprüfung von Arbeitsmotivation, Aufbau von „pressure groups“ für die eigene Stammbelegschaft) funktionalisiert werden.


4. Die Betriebe müssen als Akteure stärker in den Mittelpunkt rücken

Blickt man auf die gegenwärtige Qualifizierungsdebatte in der AMP, drängt sich der Eindruck auf, als seien vor allem die SGB II und SGB III-Träger auf der einen und die Bildungsanbieter auf der anderen Seite die institutionellen Akteure, die über die Zukunft arbeitsmarktpolitischer Qualifizierung entscheiden; die Betriebe kommen hier nur indirekt und als Nachfrageseite ins Spiel.

Sowohl mit Blick auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen von Individuen als auch die oben beschriebene Bedeutung von Qualifizierung als Prozess sozialer Integration müssen die Betriebe zukünftig eine deutlich veränderte Rolle übernehmen, da dort in der Regel jene „arbeitsnahen“ Lernformen (in-formelles, non-formales Lernen) angesiedelt, in denen eher bildungsferne Adressatengruppen besonders erfolgreich lernen können.

Diese veränderte Rolle bestünde in der Beteiligung an der Entwicklung von lokalen arbeitsmarktpolitischen Qualifizierungsprogrammen einerseits und in der – partiellen - Trägerschaft für einzelne Maßnahmen selbst.


5. Die Nachfrageorientierung in der Qualifizierungsplanung und -steuerung ist zu stärken

In den letzten 2 Jahrzehnten hat sich die Kritik an der öffentlich geförderten Weiterbildung (in Gestalt von Fortbildung und Umschulung) vor allem an der angebotsorientierten Steuerung dieses Instruments entzündet. Mit den Hartz-Gesetzen wurde dieses Steuerungsprinzip durch eine von den Agenturen vor-genommene Bildungszielplanung ersetzt, die freilich nach den vorliegenden Evaluationsergebnissen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und ebenfalls zu Fehl- bzw. Nachsteuerungen führt.

Grundsätzlich ließen sich solche Fehlsteuerungen durch stärkere Kopplungen mit der Nachfrageseite verringern. Dies meint zum einen – wie oben angesprochen – die direkte Berücksichtigung qualifikationsbezogenen Rekrutierungsperspektiven der Betriebe; hier wäre ein umfassender lokaler Dialog der institutionellen Akteure (SGB II und SGB II-Träger, Bildungseinrichtungen, Betriebe) sinnvoll. Zum anderen wären vor allem die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und –interessen von Individuen in die Planung und Steuerung einer „Lernzielplanung“ einzubeziehen.


6. Die individuellen Beteiligungsrechte der Adressaten sind auszubauen

Die Ausgabe von Bildungsgutscheinen kann als Versuch gelten, die Beteiligungsrechte der Adressaten zu stärken und dabei gleichzeitig die Kontrolle über die auflaufenden Kosten zu behalten bzw. diese Kosten zu senken. Während das letztgenannte Ziel erreicht worden ist – die Ausgaben für FbW sind dramatisch gesenkt worden – scheint das zu erst genannte Ziel erheblich verfehlt worden zu sein: Nach den vorgelegten Evaluationsergebnissen ist es zu erheblichen Einschränkungen bei den FbW-Maßnahmeangeboten und sozialen Selektionen bei den Adressaten („creaming“) gekommen.

Verantwortlich dafür sind vermutlich mehrere Faktoren: Offiziell genannt werden die Überforderung von Adressaten in der Realisierung ihres Rechts auf Auswahl eines Bildungsträgers bzw. einer spezifischen Maßnahme, das Nicht-Zustande-Kommen von Maßnahmen, die ein Träger annonciert hat, wie auch Selektionen der Adressaten durch die Träger. Diese Probleme ließen sich dadurch regeln, dass
  • die Transparenz des verfügbaren Angebots durch aktuelle und verständliche Informationsmedien verbessert wird;

  • eine Qualifizierungsberatung als obligatorischer Bestandteil arbeitsmarktnaher Dienstleistungen gefasst und in den Leistungsprozess integriert wird; sowie

  • Träger zur Erfüllung ihres Angebots verpflichtet werden.

Ausbau von Beteiligungsrechten meint hier freilich mehr als die Ausübung eines Wahlrechts nach vorausgegangener grundsätzlicher Entscheidung des SGB III- bzw. SGB II-Trägers über die Finanzierung einer Maßnahme. Vielmehr ist den Adressaten (in angemessenem Umfang) ein Vorschlags- und Wahlrecht einzuräumen, was den Zugang zu und den Zuschnitt einer geeigneten Qualifizierung anbelangt (zum Finanzierungsproblem später mehr).


7. Die gegenwärtige Heterogenität qualifizierender Maßnahmen und Instrumente ist als Chance zu nutzen

In der gegenwärtigen politischen Debatte dominiert eine Sichtweise, die das Schicksal von Qualifizierung in der Arbeitsmarktpolitik an der Entwicklung des Instruments „FbW“ festmacht.

Tatsächlich gibt es neben diesem Instrument heute schon eine ganze Reihe von Maßnahmen und Instrumenten, bei deren Einsatz berufliche Lernprozesse eine Rolle spielen. Hierzu zählen vor allem:
  • - die in der Regel mehrwöchigen Trainingsmaßnahmen,

  • die Eingliederungszuschüsse (die als Ausgleich für die unterstellte Minderleistung in der Einarbeitungszeit gedacht sind),

  • die Arbeitsgelegenheiten – sowohl in der Mehraufwands- (1-Euro-Jobs)als auch Sozialversicherungsvariante) - ,

  • die Personalservice-Agenturen, sowie

  • die Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen (nach § 421i SGB III).
Dieses Maßnahme- bzw. Instrumentenspektrum unterscheidet sich – tendenziell positiv - durch unterschiedliche Inhalte, Lernformen (formalisiertes, nonformales und informelles Lernen) und Lernorte (Bildungseinrichtung, Betrieb). Die in diesem Spektrum sichtbare inhaltlich-didaktische Breite der Qualifizierung weist - im Einzelnen gleichwohl nicht genau beschreibbare – Überschneidungen zu den verschiedenen Programmtypen von FbW auf. Diese Breite sollte man grundsätzlich erhalten.


8. Die Exklusivität bzw. Restriktivität bestimmter Instrumente ist abzubauen

Betrachtet man das Gesamtspektrum an Förderinstrumenten mit Qualifizierungsanteilen, so unterscheiden sie sich heute nicht nur in der Art und Weise, wie und wo gelernt wird, sondern auch in den damit den Adressaten zugewiesenen materiellen und immateriellen Handlungsspielräumen und Sicherheiten:
  • so werden Personen etwa Trainingsmaßnahmen oder Arbeitsgelegenheiten zugewiesen, während sie bei FbW eine gewisse Wahlfreiheit haben;

  • Teilweise sind Umfang und Inhalte der Qualifizierung ungeregelt oder Bestandteil je spezifischer Vereinbarungen zwischen Programmträgern, Agentur bzw. SGB II-Trägern auf der einen und Maßnahmeträgern auf der anderen Seite; selbst verpflichtende Vertragsbestandteile werden – wie etwa die gerade abgeschlossene Evaluation der PSA andeutet – häufig nicht eingehalten.

  • Schließlich verbindet sich der Besuch einer FbW-Maßnahme mit einer Verlängerung des Anspruchs auf Bezug von Arbeitslosengeld I.
Diese Unterschiede – so ist zu vermuten – begründen wesentlich den „guten“ oder den „schlechten“ Ruf einzelner Instrumente bei Adressaten und verstellen den Blick dafür, was das Instrument ihnen persönlich bringt bzw. bringen kann. Umgekehrt erleichtern sie es den jeweiligen Maßnahmeträgern, von ursprünglich vereinbarten Zielen und Inhalten abzuweichen.

Von daher wäre eine stärkere Vereinheitlichung der Leistungsansprüche, der Modalitäten in der Maßnahmeauswahl wie auch die Einführung von Mindeststandards der Qualifikationsvermittlung anzustreben.


9. Qualitätssicherung als Sicherung von Prozessstandards

Die Sicherung der Qualität in der Steuerung und Durchführung von beruflichen Lernprozessen ist ein Thema, dass die Weiterbildungsdebatte der letzten 10 bis 20 Jahre nachhaltig geprägt hat und dabei in beträchtlichem Maße auf die Diskussion von Qualitätsproblemen in vom Arbeitsamt finanzierten Maßnahmen zurückgeht. (Dass diese Diskussion in abgeschwächter Form für die berufliche Erstausbildung, in verschärfter Form aber für Maßnahmen aus dem Übergangssystem geführt wird, ist dagegen neu).

Mit den Hartz-Gesetzen ist nun – allerdings beschränkt auf FbW – ein neues Konzept der Qualitätssicherung installiert worden. Neben Outcome-orientierten Kriterien (prognostizierte Verbleibsquote) spielt die doppelte Zertifizierung (Zulassung von Maßnahmen und Bildungsträgern) durch unabhängige regionale Agenturen („fachkundige Stellen“) in diesem Konzept eine zentrale Rolle; die Zulassung soll nach Input-Kriterien der personellen und sachlichen Ausstattung und der Existenz von Bildungsplänen erfolgen.

Auch wenn es verfrüht ist, ein endgültiges Urteil über die Wirksamkeit dieses speziellen Konzepts zu fällen: Ein Fortschritt ist die Installation eines solchen Regelkreises, in dem weder rein kostenbezogene Interessen der SGB III/SGB II-Träger als auch der Maßnahmeträger bedient werden, allemal. Vor diesem Hintergrund sind die Befunde der FbW-Evaluation, nach der beide Seiten sich mit diesem Konzept schwer tun und es tendenziell kritisieren, mit Vorsicht zu genießen, könnte dies doch vor allem den wahrgenommenen Verlust an Einfluss reflektieren. Zur Vorsicht mahnen mehr die Klagen von Mitarbeitern der fachkundigen Stellen über mangelnde Rückmeldungen und Unterstützung durch die Agenturen und insbesondere darüber, dass sie von den Regionaldirektionen dazu genötigt werden, nur besonders kostengünstige Maßnahmen zuzulassen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nur notwendig, die Unabhängigkeit der „fachkundigen Stellen“ abzusichern, sondern auch darüber nachzudenken, wie neben Input- und Outcome-orientierten Qualitätsstandards auch prozessbezogene Kriterien einbezogen werden können. Zu denken wäre hier an Regeln zur Verknüpfung unterschiedlicher Lernformen und Lernorte.


10. Übergreifende Minimalstandards für Qualifizierungsmaßnahmen sind festzulegen

Wenn wir es richtig sehen, dann liegt eine wesentliche Differenz im derzeitigen Spektrum von Instrumenten mit Qualifizierungsanteilen darin, dass es als „kostengünstiger“ Verschiebebahnhof zu Maßnahmen mit vollkommen ungesicherter Qualität instrumentalisiert wird bzw. werden kann. Insofern sind für alle Qualifizierungsinstrumente bzw. Instrumente mit Qualifizierungsanteilen Mindeststandards festzulegen und nachzuhalten (auch im jetzigen SGB II-Bereich).

Wie solche Mindeststandards aussehen und sichergestellt werden können, hängt sicherlich von den jeweiligen Kombinationen der Lernformen (formalisiertes, mediales, non-formales und informelles Lernen) und Lernorte (Bildungseinrichtung, Betrieb) ab, die für die je individuelle Qualifizierung vorgesehen werden. Notwendig erscheint vor allem eine Verbindung von input- und prozessbezogenen Standards. Während erstere personelle und materielle Ausstattung sowie die Inhalte festlegen (über Bildungs- und Lernpläne), würden letztere das Lernverfahren (z.B. die Abfolge zwischen arbeitsnah-praktischen und „arbeitsfern“-theoretischen Sequenzen) regeln und dafür sorgen, dass genügend Zeit für die Reflektion von Lernerfahrungen in und außerhalb der Arbeit zur Verfügung steht. Eine offene Frage ist, wie diese Standards insbesondere dort nachgehalten werden können, wo es - wie bei stark arbeitsimmanenten Lernprozessen – in der Regel auf keinen zertifizierten Berufsabschluss hinausläuft. Hier kommen Ideen wie Qualifizierungspässe, die Entwicklung von Qualifizierungsbausteinen (Forum Bildung 2001) und eine Lernbegleitung durch Fachkräfte der Agenturen ins Spiel.


10. Finanzierung: Mitnahmeeffekte begrenzen

Wie der Finanzierungsmodus für die Qualifizierungen aussehen könnte d.h. zu welchen Anteilen Individuen, öffentliche Hand und Arbeitgeber die Lasten zu tragen haben, ist eine schon aus politischen Gründen wichtige Frage, geht es doch hier um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und um die Verhinderung von Mitnahmeeffekten, sei es bei den Betrieben, sei es bei den Individuen. Zur Vorsicht mahnt etwa der Befund aus der Hartz-Evaluation, dass insbesondere Eingliederungszuschüsse (nicht selten in Verbindung mit Trainingsmaßnahmen) einen positiven Netto-Integrationseffekt haben. Hier deuten sich Verschiebungen in der Lastenverteilung zwischen Betrieben und öffentlicher Hand an, die es zu kontrollieren gilt, da über dieses Instrument faktisch die – zumindest früher von den Betrieben finanzierten – Kosten der betrieblichen Einarbeitung abgedeckt werden. Schließlich ist daran zu erinnern, dass ein stärker auf die Bedarfe der Risikogruppen am Arbeitsmarkt zugeschnittenes und weniger von den betriebswirtschaftlichen Kalkülen der BA bzw. der SGB II-Träger gesteuertes Qualifizierungskonzept vermutlich zu höheren Kosten arbeitsmarktpolitischer Programme führt als derzeit anfallen. Umgekehrt ist jedoch keineswegs ausgemacht, dass es zu einer wahren „Kostenexplosion“ kommen wird, da auf die Lernbedarfe zugeschnittene Qualifizierungsprogramme nach Art und Dauer unterschiedlich teuer sein dürften. Die in diesem Zusammenhang mitunter formulierte Position, arbeitsmarktpolitische Qualifizierungsprogramme gänzlich aus Steuermitteln zu finanzieren (vgl. Kruppe 2005), würde gleichwohl die Lasten vorschnell auf den Staat überwälzen.

Eine Finanzierungsregelung für „Lebenslanges Lernen“ – und um das geht es hier - „hat bereits im Ansatz systematische Benachteiligungen zu vermeiden. Weil Lebenslanges Lernen in Zukunft immer mehr zum integrativen Bestandteil individualisierter Sozialpolitik werden wird, ist die Finanzierung so zu gestalten, dass sie „individuelle Risikovorsorge, Anpassung an ökonomisch-sozialen Wandel sowie dessen Mitgestaltung ermöglicht“ (Forum Bildung 2001:42). Auch wenn es aus Sicht der hier zitierten Experten gegenwärtig kein stimmiges Finanzierungsmodell gibt, formulieren sie doch mehrere zentrale Prinzipien einer Finanzierung, die es zu beachten gilt. Zu diesen zählen:
  • Stärkung der Nachfrageorientierung, indem Gelder vorrangig den Individuen zur Verfügung gestellt werden;

  • Herstellung einer Balance zwischen individueller Eigenverantwortung und Förderung/Unterstützung; die Mittelvergabe wird an einen Eigenbeitrag der Individuen gebunden, der aus Geld und/oder Zeit bestehen kann;

  • Zuschüsse für in KMU’s angesiedelte überschaubare Programme/Maßnahmen bei unkomplizierten Antragsverfahren und längerfristiger Planbarkeit der Zuschüsse; sowie

  • Förderung von Job-Rotation-Modellen zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten in Weiterbildung und deren Finanzierung.
Die Beachtung dieser Prinzipien kann Mitnahmeeffekte zwar nicht vollständig, aber doch auf ein Minimum beschränken helfen.


Volker Baethge-Kinsky

Quelle: Papier für Block IV der MonApoli-Fachtagung „Über ‚Hartz’ hinaus – Stimmt die Richtung in der Arbeitsmarktpolitik?“ am 29. und 30. März 2007 in Berlin


Alle weiteren Thesenpapiere zur Fachtagung und die weiteren Beiträge und Ergebnisse finden Sie auf der Homepage des Arbeitskreises Monitor Arbeitsmarktpolitik.

Das Thesenpapier von Volker Baethge-Kinsky können Sie hier auch als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 03.04.2007