Lebenslanges Lernen

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Weiterbildung in der lernenden Gesellschaft



Zur Bildung heißt es im Programmentwurf:

“Bildung in der lernenden Gesellschaft

Bildung entscheidet unsere Zukunft. Sie ist die große soziale Frage unserer Zeit. Bildung eröffnet Wege für jede und jeden Einzelnen. Sie erst ermöglicht dem Menschen, sich selbst bestimmt Ziele zu setzen und Träume zu verwirklichen. Sie erschließt ihm den Zugang zu einer Welt im Wandel. Sie befähigt ihn zu Demokratie und sozialer Verantwortung. Sie eröffnet ihm die Chance auf Arbeit und verbessert die soziale Sicherheit, von der Jugend bis ins hohe Alter. Vor allem Bildung sorgt immer neu für Teilhabe und soziale Aufstiegsperspektiven. Bildung ist ein Schlüssel zur freien, friedlichen, gerechten und demokratischen Gesellschaft. Sie ist eine wirtschaftliche Produktivkraft mit rasant wachsender Bedeutung. Nur Gesellschaften, die ein offenes, sozial durchlässiges und hoch entwickeltes Bildungssystem haben, prosperieren in der globalen Wissensgesellschaft.

Unser Bildungswesen muss von Anfang an die Gleichstellung von Mädchen und Jungen und die Integration von Zugewanderten im Blick haben.

Das Wissen nimmt in einem atemberaubenden Tempo zu. Erworbene Kenntnisse sind schnell überholt. Gute Bildung ist eine dauernde Aufgabe. Menschen lernen für das Leben, vor allem aber ein Leben lang. Kein Individuum kann alles verfügbare Wissen in sich vereinigen, aber gemeinsam mit anderen können wir den größtmöglichen Nutzen für alle aus dem Wissensfortschritt ziehen. Wir wollen Freude am Lernen und Offenheit gegenüber Errungenschaften der Forschung vermitteln.

Wir wollen eine ganzheitliche Bildung. Sie richtet sich auf theoretisches Wissen, soziale Kompetenzen und beruflich verwertbare Inhalte. Sie umfasst nicht minder die ästhetische Erfahrung, die ethische Reflexion und die Wertevermittlung. Um unsere offene Gesellschaft zu stärken, brauchen wir eine Aufwertung der politischen Bildung und Erziehung zur Demokratie. Umfassende kulturelle und soziale Bildung stärkt die Persönlichkeit. Starke Persönlichkeiten sind fähig zur Toleranz und respektieren andere Kulturen.


Bildung für alle

Wir wollen den freien Zugang zu Informationen, zu Bildung und Wissen. Eine gerechte Gesellschaft muss Chancengleichheit verwirklichen. Jede Form der Ausgrenzung durch mangelnde Bildungschancen müssen wir überwinden. Von der frühkindlichen Bildung bis zum ersten beruflichen Abschluss müssen wir Eltern und Kindern den Weg frei machen und finanzielle Hürden beseitigen. Jeder Mensch hat das Recht auf eine gebührenfreie Ausbildung vom Kindergarten bis einschließlich des Studiums.

Es ist die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass Bildung unabhängig von der Herkunft für alle gleichermaßen zugänglich ist. Die öffentlichen Ausgaben für Bildung müssen steigen. Sie müssen mit der wachsenden Bedeutung von Bildung Schritt halten. Bildungsausgaben müssen als Investitionen anerkannt werden. Investitionen in die Menschen müssen Priorität bekommen.

Wir brauchen eine Kultur der zweiten, der dritten Chance. Wer im Laufe seines Lebens in eine Sackgasse geraten ist, muss die Möglichkeit haben, Schulabschlüsse gebührenfrei nachzuholen und berufliche Abschlüsse zu erwerben.

Wir brauchen bessere und breitere Bildung. Wir bekämpfen den Analphabetismus. Alle Menschen müssen die Möglichkeit erhalten, sich moderner Medien bedienen zu können. Digitale Spaltungen in unserer Gesellschaft verhindern wir, indem der Umgang mit Computer und Internet in allen Bereichen von Bildung und Weiterbildung eingeübt wird. Mädchen und Frauen müssen daran gleichberechtigt beteiligt werden. Bessere Medienkompetenz schafft die Voraussetzung für einen bewussten und kritischen Umgang mit Medien.

Wer an Kindertagesstätten, Schulen, Berufsschulen und Hochschulen Wissen und Werte vermittelt, leistet eine herausragend wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft. Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer tragen große Verantwortung. Ihnen gebührt mehr Anerkennung und Unterstützung. Wir wollen diese Berufe stärken. Wir müssen darauf achten, dass das Verhältnis zwischen Frauen und Männern unter den Lehrenden vom Kindergarten bis zur Hochschule ausgewogener wird. Nur so haben Jungen und Mädchen Leitbilder. Die Aus- und Weiterbildung muss verbessert werden.

Eltern spielen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine entscheidende Rolle. Wir wollen sie bei dieser Aufgabe unterstützen. Wo Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern eine ausreichende Entwicklung zu garantieren, müssen das Bildungssystem und eine wachsame Kinder- und Jugendhilfe alle Anstrengungen unternehmen, um jedem Kind gleiche Entwicklungschancen zu ermöglichen.


Bildung von Anfang an

Die Förderung von Kindern beginnt für uns bei der gezielten Unterstützung von Schwangeren und Eltern. Die ersten Wochen und Jahre des Lebens sind entscheidend. An der Seite der Eltern sind Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern und Krankenpfleger die ersten, die das Wohl und die Entwicklung des Kindes fördern. Wir wollen sie gut darauf vorbereiten.

Für uns sind Kindertagesstätten ein unverzichtbares Glied der Bildungskette. Sie können herkunftsbedingte Benachteiligungen frühzeitig ausgleichen. Wir wollen den Bildungs- und Erziehungsauftrag von vorschulischen Einrichtungen stärken. Wir werden Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren ausbauen. Dort finden Familien gute Beratung, verlässliche Hilfe im Alltag und Weiterbildung. Die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern richten wir stärker auf frühkindliche Bildung aus. Ein besonderes Augenmerk muss der Sprachförderung, der gesundheitlichen Entwicklung eines jeden Kindes und der Gleichstellung von Mädchen und Jungen gelten.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben erfolgreich die Abschaffung des Schulgeldes erkämpft. Jetzt fordern wir die gebührenfreie Ganztagsbetreuung für alle Kinder von Anfang an. Ab dem zweiten Lebensjahr soll es einen Rechtsanspruch auf Betreuung geben.


Gemeinsam lernen

Wir wollen den Ausbau der Ganztagsschule. Kinder finden in der Ganztagsschule verlässliche Lern- und Unterrichtszeiten. Sie sind auch Zeiten des sozialen Lernens und der mitmenschlichen Erfahrung. Die Schule wird zu einem Lebensmittelpunkt von Kindern und Jugendlichen.

Die Ganztagsschule ist sozial verankert. Sie bezieht Sportvereine, Musikschulen, Volkshochschulen und Betriebe aus der Nachbarschaft ebenso ein wie Träger der freien Jugendhilfe. Wir wollen in den Ganztagsschulen mehr Möglichkeiten schaffen, um Schülerinnen und Schüler so zu fördern, wie sie es persönlich brauchen. So können wir ihre Stärken entdecken und entwickeln. Die Eltern werden durch ganztägige Angebote entlastet.

Wir wollen ein längeres gemeinsames Lernen mit einer besseren individuellen Förderung verbinden. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass sowohl Lernschwache als auch Lernstarke so ein höheres Kompetenzniveau erreichen können. Wir wollen ein Schulsystem, in dem es gelingt, den Zusammenhang von Bildungschancen und sozialer Herkunft aufzubrechen.

Wir wollen, dass Schulen selbständiger arbeiten. Sie erhalten verbindliche Standards, und ihre Leistungsfähigkeit wird regelmäßig überprüft. Dabei sollen sie jedoch weit mehr eigene Kreativität und Kompetenz entfalten können. Dazu gehören auch die Auswahl des Personals und ein verlässliches Schulbudget. Unser Leitbild ist die demokratische Schule, in der die Lehrenden ebenso wie die Lernenden und ihre Eltern in die Entscheidungen eingebunden sind.


Die berufliche Ausbildung modernisieren

Die berufliche Erstausbildung ist eine wichtige Grundlage für die Berufsausübung und für das lebenslange berufliche Lernen. Sie muss deshalb auch berufsübergreifende Fähigkeiten vermitteln. Wir wollen, dass alle Jugendlichen die Möglichkeit erhalten, eine qualifizierte Ausbildung zu durchlaufen, die sie dazu befähigt, am Arbeitsleben teilzunehmen und ein selbst bestimmtes Leben zu führen.

Das Duale System wollen wir weiterentwickeln. Es muss so modernisiert werden, dass es mit den rasanten Entwicklungen in der Arbeitswelt Schritt hält. Das Duale System muss in den neuen Branchen stärker verankert werden. Nötig sind eine gute Verzahnung von Betrieb und Schule, engagierte Hilfen für neue Betriebe. Lernschwache brauchen besondere, auf sie zugeschnittene Hilfen. Die Unternehmen sind dabei in der Pflicht, für die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses zu sorgen. Solidarische Finanzierungsmodelle können dabei helfen. Ergänzende vollschulische Berufsausbildung muss zu gleichwertigen Abschlüssen führen.

Schulen und Betriebe müssen gut zusammenarbeiten. Der Schritt von der allgemein bildenden Schule in die berufliche Ausbildung fällt Jugendlichen viel leichter, wenn sie sich schon in den Schulen realistisch auf den Beruf hin orientieren. Mädchen und Frauen sollen selbst entscheiden, was sie werden. Überkommene Rollenmuster müssen aufgebrochen werden. Wir wollen erreichen, dass Frauen bei der Studien- und Berufswahl in gleicher Weise wie Männer an technische und naturwissenschaftliche Berufsfelder herangeführt werden. Wir müssen auch Jungen aus ihrer alten Rollenfixierung herausführen, damit sie die allgemein bildenden Schulen besser bewältigen können.


Das Studium und die Forschung stärken

Gesellschaft und Wirtschaft brauchen immer mehr hoch qualifizierte Fachkräfte. Deshalb müssen weit mehr Menschen in Deutschland erfolgreich studieren. Wir wollen die Qualität von Lehre und Forschung in unseren Hochschulen verbessern und die Studienplätze ausbauen. Wir bekennen uns zur Verantwortung des Staates für die Hochschulen. Er hat die Aufgabe die Finanzierung der Hochschulen abzusichern.

Hochschulen sollen so weit wie möglich autonom sein. Wir wollen die Mitbestimmung all derer ermöglichen, die am Leben der Hochschule beteiligt sind.

Forschung und Lehre bilden eine Einheit. Die Hochschulen müssen insgesamt das breite Spektrum von Lehre und Forschung anbieten. Sozial- und Geisteswissenschaften müssen ebenso gefördert werden wie Natur- und Technikwissenschaften. Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen eng zusammen arbeiten.

Wir wollen einen offenen Zugang zum Studium. Wir wollen den Anteil der Studierenden aus bildungsfernen Familien erhöhen. Entschluss und Talent sollen entscheiden, nicht der soziale Hintergrund. Um einen fairen Wettbewerb zwischen den Ländern zu gewährleisten und Anreize für den Ausbau von Studienplätzen zu geben, setzen wir uns für einen finanziellen Ausgleich zwischen den Ländern ein.

Das Studium muss auch aus einer beruflichen Qualifizierung heraus möglich sein. Der Staat unterstützt das Studieren durch Zuschüsse, Darlehen und Stipendien.

Wir wollen die internationale Erfahrung von Studierenden erhöhen und die Studienförderung darauf ausrichten. Zugleich soll unser Land offen und attraktiv für Studierende aus anderen Ländern sein. Dafür müssen auch bürokratische Zugangsschranken abgebaut werden. Um die besten Köpfe zu gewinnen, brauchen wir Stipendien für begabte Studierende aus dem Ausland.


Weiterbildung in der lernenden Gesellschaft

Wir wollen die lernende Gesellschaft, in der Menschen sich ein Leben lang weiterentwickeln können. Wir wollen die Weiterbildung zur vierten Säule im Bildungssystem ausbauen und den Aufstieg durch Bildung für alle möglich machen. Auch diese vierte Säule steht in der öffentlichen Verantwortung. Damit die Menschen sich engagiert fortbilden, wollen wir sie durch Freistellungsansprüche und finanzielle Förderung unterstützen. Dabei müssen die besonderen Belange von Müttern und Vätern berücksichtigt werden. Wir brauchen dafür gemeinsame Lösungen der Politik, der Tarifpartner und der Betriebe. Wir werden die bestehende Arbeitslosenversicherung zu einer Beschäftigungsversicherung weiterentwickeln und damit einen Beitrag zur Finanzierung von Weiterbildung leisten. In den Hochschulen wollen wir die berufliche Weiterbildung als eigene Aufgabe entwickeln. Damit die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen bei niemandem an finanziellen Hürden scheitert, benötigen wir eine Neuordnung und Weiterentwicklung staatlicher Weiterbildungsförderung.

Die Teilhabe an lebenslangem Lernen sichert nicht allein die Beschäftigungsfähigkeit, sondern ist Kernelement einer erfüllten persönlichen und gesellschaftlichen Lebensführung. Neben der beruflichen kommt deshalb der allgemeinen, politischen und kulturellen Weiterbildung eine wichtige Bedeutung zu. Volkshochschulen müssen dabei wieder eine wichtigere Rolle spielen.

Durch Weiterbildung können ältere Menschen in Beruf und Gesellschaft aktiv bleiben. Wir wollen ihre Beteiligung an Weiterbildung erhöhen. Das sichert die Innovationskraft in einer Gesellschaft des langen Lebens. Wir wollen, dass Lernen und Bildung in der dritten Lebensphase die Beziehungen zwischen den Generationen bereichert.“




Die Förderung der beruflichen Weiterbildung soll ein Schwerpunkt der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden:

„Unser Ziel ist es, Arbeitslosigkeit bereits im Ansatz zu verhindern. Dazu müssen die Übergänge zwischen den Lebensphasen besser abgesichert werden. Zugleich ist es von entscheidender Bedeutung, ob es gelingt, die individuelle Arbeitsfähigkeit und Qualifikation zu erhalten und weiter zu entwickeln. Deshalb wollen wir eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die vorrangig den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit durch Qualifizierung fördert. Ein wesentliches Instrument dieser aktivierenden Politik ist es, die Arbeitslosenversicherung zu einer Beschäftigungsversicherung auszubauen, um dadurch eine neue Kultur der Weiterbildung zu etablieren. Mit der Einführung einer Beschäftigungsversicherung wollen wir den Schwerpunkt auf den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und der stetigen Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer legen. Dazu gehören ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung, Qualifizierungsangebote miteinander zu verzahnen und die Einrichtung von zentralen Lernzeitkonten."


Quelle: Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert
Der „Bremer Entwurf“ für ein neues Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Bremen 8. Januar 2007

Sie können den Programmentwurf hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.01.2007