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Eckpunkte für ein sozial gerechtes und leistungsfähiges Bildungssystem

Die SPD orientiert ihr Leitbild einer „umfassenden Bildung für alle“ am Ideal einer umfassend gebildeten Persönlichkeit.

„Umfassende Bildung für alle“ beinhaltet für uns Bildung, die mit fundiertem Wissen auf die anspruchsvolle Arbeitswelt genauso vorbereitet, wie sie Werte und soziale Kompetenzen vermittelt. Wir wollen eine Bildung die am Ideal umfassend entwickelter Persönlichkeiten festhält. Dabei ist unser Leitbild der Wissens- und Bildungsgesellschaft mit Lernfreude, Bildungsstolz, Bildungslust, Bildungschancen, Bildungsoptimismus und Aufstieg durch Bildung verbunden.

Zur weiteren Entwicklung der Weiterbildung in Deutschland stellt das SPD-Forum fest:

Weiterbildung

"Die Wissensgesellschaft bringt neue Anforderungen an Orientierung und Perspektiven im persönlichen Bereich, im Zusammenleben mit anderen,, aber auch in Hinblick auf berufliche Veränderungen mit sich. Der Weiterbildung kommt damit eine wachsende Bedeutung zu, der das deutsche Bildungssystem unzureichend gerecht wird.

Weiterbildung zahlt sich für den Einzelnen sowohl materiell als auch immateriell aus. Fast 80 Prozent aller an beruflicher Bildung Teilnehmenden geben an, dass sie ihre Arbeit nun besser erledigen können. Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung können zum Teil ihr Einkommen steigern, das Risiko arbeitslos zu werden vermindern und können mit einem Karrieresprung rechnen.

Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland wird in hohem Maße davon abhängen, ob es gelingt, dass Fachkräfte über ihre gesamte Berufsbiographie hinweg ihre Qualifikationen erhalten und an die sich ständig wandelnden Anforderungen anpassen. Doch neben der ökonomischen Notwendigkeit von Weiterbildung gibt es eine gesellschaftliche:
Lebenslanges Lernen ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander und somit der Weiterentwicklung unserer demokratischen Gesellschaft insgesamt.
Gerade auch im Zeichen des Wandels der Altersstruktur in unserer Gesellschaft, in der die Lebenszeit nach dem Arbeitsleben noch deutlich wachsen wird, ist Weiterbildung auch im Alter eine notwendige Voraussetzung nicht nur für die individuelle Teilhabe an Lebensqualität, sondern auch für die Innovationsfähigkeit und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft insgesamt.

Die Ausrichtung auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen muss als ein Kernelement jeder Zukunftspolitik vorangetrieben werden. Wir brauchen Weiterbildung mit System.


Mit gesetzlichen Regelungen die Weiterbildungslandschaft aktiv gestalten

Weiterbildung ist ein entscheidender Abschnitt von „Bildung im Lebenslauf“. Sie steht genauso in der öffentlichen Verantwortung wie andere Bildungsabschnitte. Dies gilt, zumal die Wirtschaft allein nicht in der Lage ist, Angebot und Durchführung von Weiterbildung sicherzustellen. Nur 25 Prozent der Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten bieten Möglichkeiten betrieblicher Weiterbildung an. Gleichzeitig erwägen führende Großunternehmen, sich aus der betrieblichen Weiterbildung für ihre Beschäftigten zurückzuziehen.

Zwischen Bund und Ländern abgestimmte gesetzliche Regelungen für die Weiterbildung sind ein gangbarer Weg für eine dringend erforderliche Weiterbildungspolitik, die die Weiterbildungslandschaft aktiv gestaltet. Für lebenslanges Lernen als selbstverständlichen Teil von Biografien fehlen institutionelle, finanzielle, zeitliche und organisatorische Voraussetzungen. Die Bildungsbausteine auf den verschiedenen Bildungspfaden müssen mit System angelegt sein und gepflegt werden, um für die Menschen zugänglich, betretbar und vom Ziel her erreichbar zu sein.

Zukunftsweisend ist deshalb nur ein Gesamtkonzept, das ein Recht auf Weiterbildung sichert, Lernzeitansprüche sowie die notwendige Finanzierung vorsieht, und das geeignet ist, mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten herzustellen.

Inhalte solch gesetzlicher Regelungen sind:
  • Sicherstellung von Weiterbildungsangeboten,
  • Regelungen zu Übergängen in andere Bildungsbereiche sowie
  • die Durchlässigkeit der Weiterbildungssysteme,
  • Regelungen zum Abschluss, zur Finanzierung, zum Lernzeitanspruch sowie
  • zur Qualitätssicherung.

Unternehmen haben die Pflicht, Bildung zu ermöglichen und zu unterstützen

Zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums gehört die Bildungspflichtigkeit der Unternehmen. Aus dem Rechtsanspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Weiterbildung und persönliche Entwicklung erwächst ein Initiativrecht ihrer demokratischen Vertretung in Betrieben, den Betriebsräten, und die Pflicht der Unternehmen, mit Beratung, Qualifizierung und Freistellung Weiterbildung zu ermöglichen und zu unterstützen. Zur Sicherung der eigenständigen Existenzmöglichkeit durch Arbeit gehört die Sicherung eines Mindestlohns und einer Mindestqualifikation.


Weiterbildung braucht freie Zeit. Freistellungsansprüche für Bildungszwecke müssen ausgebaut werden.

Weiterbildung bedeutet Verzicht auf unmittelbare Wertschöpfung. Sie steht deshalb im Interessenstreit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Sie berührt den Versorgungsausgleich von Staat und Individuum. Grundsätzlich hat jeder Mensch ein Anrecht auf ausreichend Weiterbildungszeit als Teil seiner Bildungsvorsorge.

Zur Sicherung der notwendigen Weiterbildungszeit ist das System der Freistellung von der Arbeit für Bildungszwecke auszubauen und so zu gestalten, dass es in die Lebensplanung integrierbar ist. Personen, die nicht abhängig Beschäftigte sind, erhalten ebenfalls einen eigenständigen Lernzeitanspruch. Tarifliche Regelungen zu dem Thema sind als Ergänzung gesetzlicher Ansprüche sinnvoll, da die Quote ihrer Inanspruchnahme erfahrungsgemäß hoch ist.

Staatliche Aufgabe ist es, Bildungszeit und Bildungsguthaben abzusichern in Form von Freistellungs- und Rückkehransprüchen in den Unternehmen, staatlicher und betrieblicher Unterstützung bei Bildungs- und Lebenskosten, Lernzeitkonten und Bildungsguthaben, Qualitätskontrolle und Leistungszertifizierung. Ein Fördergesetz zur Weiterbildung knüpft an die bestehenden nationalen Bildungsfördergesetze an.


Qualität der Weiterbildungsangebote sichern

Für Teilnehmende muss die Qualität der Weiterbildungsangebote stärker als bislang gewährleistet werden. Dies erfolgt durch Festlegung von Qualitätsstandards für die Träger und Einrichtungen, für die Durchführung und für das Ergebnis von Weiterbildung.

Das nur für einen Teil der Weiterbildung seit dem 1. Januar 2006 geltende Qualitätssicherungssystem ist weiterzuentwickeln und sollte auf weitere öffentlich geförderte Weiterbildungsbereiche ausgedehnt werden.

Die Information über Bildungseinrichtungen und –maßnahmen für den Adressaten soll durch träger- und anbieterunabhängige Beratungsstellen erfolgen.


Wir brauchen eine flächendeckende, trägerunabhängige Weiterbildungsberatung

Weiterbildung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge braucht ein System von Institutionen, von Professionalität, von Ordnung und Qualität. Wegen der Vielfalt ihrer Angebote und der Pluralität der Träger und Einrichtungen ist die berufliche Weiterbildung für Teilnehmende und Interessenten weitgehend intransparent. Der Weiterbildungsinformation und –beratung kommt deshalb wachsende Bedeutung zu. Sie wendet sich insbesondere an Interessenten und Teilnehmerinnen/Teilnehmer sowie an Betriebe.

Wegen der Bedeutung der Weiterbildungsberatung für ein funktionierendes Weiterbildungssystem sind bundesweit flächendeckend und trägerunabhängig örtliche Beratungsstellen einzurichten.

Träger dieser Beratungsstellen sollen Zusammenschlüsse (z.B. Vereine) der regional ansässigen Weiterbildungseinrichtungen sein. Ihre Arbeit soll in angemessenen Umfang finanziell öffentlich unterstützt werden.


Bildungsanalyse, Bildungspass und individueller Bildungsplan

Persönliche und gesellschaftliche Aufgabe ist es, Bewusstsein und Interesse an der individuellen Entwicklung von „Bildung im Lebenslauf“ herzustellen. Die Bildungsanalyse (das Bildungs-SWOT im Sinne von Stärken, Schwächen, Chancen, Herausforderungen) wird Bestandteil von Bildungsberatung. Zum individuellen Bildungspass als Dokumentation der Zertifikate tritt der individuelle Bildungsplan als Angebot der Bildungschancen und -gelegenheiten.


Weiterbildung darf nicht an finanziellen Hürden scheitern: Wir wollen ein Weiterbildungs-BaföG

Damit die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen bei niemandem an finanziellen
Hürden scheitert, benötigen wir eine Neuordnung und Weiterentwicklung staatlicher
Weiterbildungsförderung. Dabei wollen wir an die Empfehlungen der
Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens anknüpfen. Zuallererst geht
es darum, jedem Erwachsenen mit niedrigem Einkommen und Vermögen das Nachholen von Schul-, Hochschul- und Berufsbildungsabschlüssen zu ermöglichen. Maßnahmenkosten und Lebensunterhalt sollen dabei über ein „Weiterbildungs-BAföG“, bestehend aus staatlichen Zuschüssen und Darlehen, finanziert werden können, wobei sich Förderhöhe und Eigenfinanzierungsanteil an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen und dem angestrebten Abschluss ausrichten. Die Maßnahmenkosten von nachholenden Bildungsgängen bis zum Abschluss der Sekundarstufe II sollen grundsätzlich von staatlicher Seite getragen werden, während bei weiterführenden Maßnahmen der Eigenanteil anwächst. Um Transparenz und Wirksamkeit der Weiterbildungsförderung zu verbessern, streben wir ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes Weiterbildungsfinanzierungsgesetz an, unter dessen Dach alle öffentlichen Transferleistungen für erwachsene Lerner zusammengefasst werden.


Ein flächendeckendes System der „Schulen der 2. Chance“ aufbauen

Beschäftigungsfähigkeit ein ganzes Berufsleben hindurch, Bildungsfähigkeit und Bildungsteilhabe als Kernelemente einer erfüllten persönlichen und gesellschaftlichen Lebensführung setzen Weiterbildungsfähigkeit voraus. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Mindestqualifizierung. Das Prinzip der zweiten Chance steht für ein offenes Bildungssystem. Zur Grundsicherung von Bildung gehört das Recht auf Förderung für einen Schul- und einen Berufsabschluss als Basisbildung.

Wir wollen die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss bis zum Jahr 2010 halbieren. Da Maßnahmen im schulischen Bereich nur langsam greifen, ist dieses Ziel nur erreichbar, wenn jeder Schulabgänger jederzeit einen Hauptschulabschluss nachholen kann. Wir wollen deshalb ein „Sofortprogramm Zweite Chance“, das die Schulen des Zweiten Bildungsweges sowie die kommunalen Volkshochschulen kurzfristig in die Lage versetzt, ihre Aufnahmekapazität für erwachsene Schulabbrecher dem Bedarf entsprechend auszubauen. Dabei sollen vorhandene Ressourcen und Kapazitäten besser vernetzt, die Betroffenen gezielt beworben, beraten, motiviert und während der Schulabschlusskurse betreut werden, um die Abbruchquoten möglichst gering zu halten.


Lernen und Bildung in der dritten Lebensphase als Teil eines neuen Generationenvertrags

Gesellschaftliche Teilhabe des einzelnen Menschen im Alter und Innovationsfähigkeit der älter werdenden Gesellschaft insgesamt setzen aktives, lustvolles, erfolgreiches Weiterlernen im Alter, Lernfitness und frische Bildung voraus. Das Lernen und Bilden in der dritten Lebensphase muss Teil eines neuen Generationenvertrages für Innovation und Beteiligung werden.


Integration von Zugewanderten durch Weiterbildung

Aus dem globalen Wandel, der Europäisierung und insbesondere aus dem Anspruch der Integration von Migranten erwachsen auch Aufgaben für die Weiterbildung. Interkulturelles Lernen nimmt die Verschiedenheit der Lernwelten auf. Weiterbildung ist Anspruch und Chance auf Integration ohne Brüche und Desintegration, aber mit gesellschaftlicher Weiterentwicklung und kultureller Bereicherung. Die Weiterbildungsangebote der Bildungsträger sind auf kulturelle Integration und interkulturelle Qualifizierung auszurichten. Das Sprachförderungsprogramm für zugewanderte Menschen ist auszuweiten und mit politisch-gesellschaftlicher Bildung eng zu verknüpfen. Hierbei sind insbesondere auch die Menschen anzusprechen, die nicht unmittelbar über ihre berufliche Tätigkeit integriert werden.


Verlässliche und aufwachsende Förderung der öffentlichen Mittel für die Alphabetisierung zur Erreichung der Ziele der Weltalphabetisierungsdekade

Entsprechend dem Ziel der Weltalphabetisierungsdekade wollen wir die Zahl der geschätzten vier Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland bis 2015 halbieren. Da derzeit pro Jahr nur rund 20.000 funktionalen Analphabeten Kursplätze, vornehmlich in den Volkshochschulen zur Verfügung stehen, muss die Zahl der Angebote deutlich erhöht werden. Dazu ist ein „Sofortprogramm Alphabetisierung“ notwendig. Angesichts der uneinheitlichen Regelungen von Alphabetisierungsmaßnahmen in den Ländern soll eine zentrale Stelle (Agentur, Stiftung) eingerichtet werden, um Alphabetisierungsmaßnahmen zu fördern, innovative Konzepte zu entwickeln und Beratung und Information zur Verfügung zu stellen.“


Quelle: Papier des „Forum Bildung“ der SPD, Berlin, 20. November 2006

Sie können das vollständige Papier hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 22.11.2006