Lebenslanges Lernen

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Demografische Entwicklung und lebenslanges Lernen

Weiterbildung - (K)eine Frage des Alters lebenslanges Lernen

Mehr als 150 Teilnehmer aus Verbänden und Organisationen der Weiterbildung sowie Wissenschaft und Politik diskutierten auf Einladung der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW) e.V. über die Bedeutung von Weiterbildung als Schlüssel für die Herausforderungen der demografischen Entwicklung. „Weiterbildung – (K)eine Frage des Alters?“ lautete der Titel des KAW-Jahreskongresses 2006. „Die Bereitschaft, lebenslang zu lernen, ist heute wichtiger denn je. Und das gilt keineswegs nur für die heranwachsende Generation. Angesichts des demografischen Wandels wird es darum gehen, ältere Menschen zu qualifizieren. Lebenslanges Lernen muss sich von einer bildungspolitischen Forderung zu einer notwendigen Selbstverständlichkeit wandeln“, führte Hans Ulrich Nordhaus, Vorsitzender der Konzertierten Aktion Weiterbildung in seiner Einführung aus.

Nordhaus unterstrich, dass die demografische Entwicklung ebenso wie die Konsequenzen für die Weiterbildung eine Querschnittsaufgabe sei. Die KAW hatte hierzu ein Leitfragenpapier vorgelegt, um ressortübergreifend Fragestellungen wie Beschäftigungsfähigkeit, Zuwanderung oder Gesundheitsschutz zu diskutieren. Auch die Frage der Föderalismusreform wurde thematisiert. „Bildung ist längst nicht mehr ein Thema nur für Bildungspolitiker“, so Nordhaus. Gefragt seien ganzheitliche und nachhaltige Ansätze für sämtliche Politikfelder sowie Konzepte, wie langfristig mit einer sich verändernden Gesellschaft umgegangen werden könne.

Eine Einschätzung, die Andreas Storm, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), teilt. Es gehe längst nicht mehr nur um die Frage der sozialen Sicherungssysteme. Der demografische Wandel habe Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, wie Konsumentenverhalten oder Innovationsfähigkeit einer alternden Gesellschaft. „Wir müssen in die Köpfe investieren, denn das Potenzial der Menschen ist die größte Ressource, die wir haben“, stellte Storm fest und unterstrich in diesem Zusammenhang die Bedeutung von lebenslangem Lernen als Schwerpunktaufgabe des BMBF. Er verwies auf die Notwendigkeit der Benachteiligtenförderung ebenso wie die der Grundbildung von Erwachsenen und des Bildungssparens. „Auch nach einer Föderalismusreform gehört die Weiterbildung unstreitig zu den Kernkompetenzen des Bundes“, so Storm. Und weiter: „Wir haben den entsprechenden Haushaltstitel um 3% erhöht.“

Storm benannte acht Handlungsfelder in Bildung und Weiterbildung, speziell um die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern und gleichzeitig die Innovations- und Wachstumsfähigkeit insgesamt zu stärken:
  1. „Einstieg in Bildung verbessern“: Je besser die Erstausbildung, desto größer die Bereitschaft zur Weiterbildung und umso geringer das Risiko, von Arbeitslosigkeit bedroht zu sein. Die Bundesregierung hat hierzu das Programm „Jobstarter“ initiiert.
  2. „2. Chance ermöglichen“: Durch Alphabetisierungsprojekte und einem Programm zur Forschung und Entwicklung der Grundbildung von Erwachsenen sollen Grundfertigkeiten vermittelt werden, insbesondere auch durch Nutzung neuer Medien.
  3. „Abschlüsse müssen zu Anschlüssen werden“: Aus- und Weiterbildungsangebote müssen besser verzahnt, die Durchlässigkeit der Bildungswege erhöht werden. Weiterbildung muss zu einem das Arbeitsleben begleitenden Prozess werden.
  4. „Weiterbildungsangebote für Ältere verbessern“: Die Weiterbildungsbeteiligung für Arbeitnehmer über 45 Jahren muss erhöht, Weiterbildungsangebote für die 2. Hälfte des Arbeitslebens geschaffen werden.
  5. „Veränderungen in der Arbeitswelt erkennen“ – und angemessen reagieren: Empirische Forschung im Bereich der Beruflichen Bildung muss ausgebaut werden, um eine verlässliche Datengrundlage zu liefern („Panel-Analyse“) und Qualifikationsbedarf bei Trägern transparent zu machen. Bildungsbedarf kann somit besser erkannt werden.
  6. „Notwendigkeit von Weiterbildung erkennen“ – sowohl für Arbeitgeber wie –nehmer. Mit der Erarbeitung einer „Beratungslandkarte“ fördert das BMBF in der Weiterbildungsberatung die Vernetzung der Angebote und legt Qualitätsstandards fest.
  7. „Qualität fördern“: Projekte zur Qualitätssicherung wie Weiterbildungstests der Stiftung Warentest fördern die Transparenz für den Verbraucher und langfristig die Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten. Anbieter wiederum ziehen Schlüsse, wie das Angebot verbessert werden kann.
  8. „Systematische Finanzierung von Weiterbildung“: Bis Ende des Jahres plant die Bundesregierung ein Modell zum Bildungssparen entwickeln.

Storm betonte die Bedeutung der Weiterbildung in der Diskussion um die Demografie weit über die Beschäftigungsfähigkeit hinaus. „Die demografische Entwicklung kann ohne das Kapitel Weiterbildung nicht seriös diskutiert werden“, so Storm.

Bildungssparen im Gesamtkontext sehen

Die Weiterbildungsbeteiligung, darin waren sich alle Beteiligten der anschließenden Podiumsdiskussion einig, müsse erhöht werden. Eine zentrale Maßnahme der Bundesregierung wird die Einführung des Bildungssparens sein. Bereits im Jahr 2004 hatte die Expertenkommission „Finanzierung Lebenslanges Lernen“ dieses in ihrem Schlussbericht empfohlen. Nun soll, so führte Storm aus, ein erster konkreter Umsetzungsvorschlag auf den Tisch, damit das Bildungssparen noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann. Allerdings dürfe das Bildungssparen nicht isoliert als Einzelmaßnahme betrachtet werden. Ulla Burchardt, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, befürchtet, dass dadurch sonst die soziale Spaltung nur noch größer würde. „Mit Bildungssparen allein wird die Schere nur noch weiter auseinander gehen. Denn was ist mit denen, die kein Geld für die Riester-Rente haben? Die werden auch nicht in Bildungssparen investieren. Darum ist die Benachteiligtenförderung und die Eröffnung der zweiten Chance wichtig“, so Burchardt. So wird es dann auch nach Ansicht von Staatssekretär Storm darum gehen, im Spannungsfeld zwischen Begabten- und Benachteiligtenförderung das rechte Maß zu finden. „Wir werden in der Spitze in die Begabtenförderung investieren, aber gleichzeitig auch die Politik der Zweiten Chance weiterverfolgen. Beide Pole sind uns wichtig“, erläuterte Storm.

Unabhängig von konkreten Maßnahmen betonten die Podiumsteilnehmer, dass es auch um einen Mentalitätswechsel gehen müsse, wenn die Weiterbildungsbeteiligung erhöht werden soll, insbesondere die Weiterbildungsbeteiligung Älterer. Kerstin Griese, Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, betonte, dass „wir derzeit alles in der Lebensmitte hin bekommen müssen - Familie, Beruf und Karriere, Bildung“. Sie fordert einen Mentalitätswandel sowohl bei Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern. Alter und Erfahrung seien wichtig, aber, so Griese, „auf den Anfang kommt es an“. Es müsse darum gehen, die Grundlage bereits in den ersten Lebensjahren zu legen. „Bin ich es gewohnt, zu lernen? Weiterbildung muss zum Leben dazu gehören“.



Wie ein solcher Mentalitätswandel gelingen könnte, das führte Prof. Andreas Kruse, Gerontologe an der Universität Heidelberg und Vorsitzender der Kommission des Altenberichts aus. Insbesondere mit Blick auf Konzepte für Geringqualifizierte gab er den Unternehmen den Rat: „Sie müssen eine Philosophie vermitteln, dass Sie ein Interesse an den Problemen Ihrer Mitarbeiter haben, dass Sie sich darum sorgen, wie es ihnen geht.“ Dies könne insbesondere in Fragen der Gesundheitsvorsorge geschehen. Denn, so Kruse, eine höhere Bildung geht auch mit einer besseren Gesundheit anher, ein wichtiger Aspekt, der sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber interessiert. Mit Blick auf die Arbeitgeber müsse deutlich gemacht werden, dass „Weiterbildung sich rechnet“.

Kreativität und Leistungsfähigkeit im Alter

Eine höhere und kontinuierliche Bildung erhöht die kognitive Leistungsfähigkeit und hilft Krankheiten vorzubeugen, erläuterte Kruse. Ältere Menschen seien also durchaus in der Lage, auch im Berufsleben kreativ zu sein. Allerdings, so Kruse, „leben wir in einer altersfeindlichen Gesellschaft. Das, was wir wissen, wird nicht mehr ausreichend gewürdigt.“ Er verbindet damit die Forderung, das Demografiethema auch zu einem Generationenthema zu machen. Auf die Frage, warum denn die Potentiale des Alters nicht nachgefragt würden, fand Kruse eine einfache Antwort: Die jahrzehntelange alte Tradition der Frühverrentung habe dazu geführt, dass die Menschen sich daran gewöhnt hätten, frühzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Ein Luxus, den man sich in der Wissensgesellschaft nicht mehr wird leisten können. Ulla Burchardt plädierte daher für eine ressortübergreifende Strategie für „demografischen Wandel und Wissensgesellschaft“, und das, so die Abgeordnete „hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode“.

Weiterbildung: Prävention statt Reparaturbetrieb

Die positiven Aspekte der demografischen Herausforderung benannte Prof. Ph.D. Jutta Allmendinger, Direktorin des Instituts für Arbeitsmarktforschung und Beschäftigung (IAB) der Bundesagentur der Arbeit: „Wir werden immer älter, d. h. wir haben gewonnene Jahre, in denen wir länger leistungsfähig sind.“ Für die Weiterbildung bedeutet dies jedoch, dass sie präventiv wirken soll statt als Reparaturbetrieb. Im Klartext: Es gelte frühzeitig zu qualifizieren, statt „nachzuqualifizieren und mit Weiterbildung das nachzuholen, was in frühen Jahren versäumt worden ist“. Auch würden nach wie vor Patchwork-Karrieren beklagt. „Wir müssen weg von der Vorstellung, dass eine Ausbildung am Anfang des Arbeitslebens ausreichend ist“, forderte Allmendinger. Mit Blick auf die Unternehmen zeigen die Untersuchungen des Instituts, dass größere Unternehmen grundsätzlich mehr in die Weiterbildung älterer Mitarbeiter investieren als kleine. Dies hat aber nichts mit der Altersfreundlichkeit der Unternehmen zu tun, sondern ist vielmehr darauf zurück zuführen, dass große Unternehmen grundsätzlich weiterbildungsfreudiger sind als kleine, erläuterte Christian Ebner, IAB.

Weiterbildung und Age Management bei Betrieben

Wie Betriebe mit dem Thema der Weiterbildung Älterer umgehen, dies erläuterte Rolf Praml, Leiter Age Management, am Beispiel der Deutschen Telekom. Die Schwierigkeit liege jedoch gerade bei einem Unternehmen wie der Telekom darin, den Qualifizierungsbedarf langfristig festzulegen. „Dafür sind unsere Produktzyklen einfach zu kurz“. Praml warnte zudem vor der Vorstellung, die demografische Entwicklung und die damit verbundene schwindende Bevölkerung könnte das Beschäftigungsproblem lösen.

Wie Qualifizierung auch unabhängig von Fachwissen sinnvoll gestalten werden kann, und zwar für jeden Einzelnen, dies erläuterten Prof. Jutta Rump, Fachhochschule Ludwigshafen und Christine Szogas, Human Ressources Deutsche Bank, anhand des Projektes „Fit in die eigene Zukunft“. Ziel sei es bei Beschäftigten und Arbeitssuchenden Einstellungen und Haltungen wie Teamgeist, Engagement, etc abzufragen und ein persönliches Coaching anzubieten. „Überfachliche Kompetenzen helfen den „Reparaturbetrieb“ zu vermeiden, ist Jutta Rump sicher. „Es kann nicht darum gehen, wie wir Schwächen abschwächen, sondern wie wir Stärken stärken, “ so Rump weiter.

Übergangsmodelle für den Ruhestand

Neben der Frage, wie ältere Mitarbeiter länger in Beschäftigung gehalten werden können, wurden auch Modelle diskutiert, wie der Übergang in den Ruhestand und die Nacherwerbsphase gestaltet werden kann. „Entscheidend ist, den ausscheidenden Mitarbeitern eine Perspektive zu geben“, erläuterte Theo W. Länge, Vorstand der KAW und Bundesgeschäftsführer von Arbeit und Leben. Arbeit und Leben qualifiziert im Rahmen eines Projektes engagierte Gewerkschaftler und ehemalige Betriebsräte um sie fit zu machen für ehrenamtliches Engagement. „Allerdings“, so Länge, „müssen wir aufpassen, dass dieser weitere „Arbeitsmarkt“ für Ältere nicht. als störend auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wirkt.“ Entscheidend sei jedoch, das Erfahrungswissen der Älteren nutzbar zu mache. Ingrid Sehrbrock, Geschäftsführerin des DGB Bundesvorstands erkennt durchaus eine Ambivalenz im Begriff des Erfahrungswissens, insbesondere bei denen, die noch in Beschäftigung sind. „Erfahrungswissen kann durchaus hinderlich sein“, bspw. wenn jüngere Mitarbeiter Vorschläge machten, die bereits in der Vergangenheit nicht umgesetzt wurden. „Argumente werden dann einfach in Frage gestellt, getreu dem Motto, "das hatten wir doch alles schon, das hat doch auch früher nicht geklappt", so Sehrbrock. Sie plädiert für altersgemischte Teams.

Abschließend wurden die neuen Anzeigen der Weiterbildungsoffensive „Weiter? Bilden!“ vorgestellt. Die insgesamt fünf neuen Motive greifen Einzelaspekte zu Demografie und Bildung auf. Neben einem Dachmotiv zur Demografie („Bildung braucht Zeit“) sind dies die Bereiche Gesundheitsschutz („Bildung hält fit“), Integration und Zuwanderung („Bildung heißt verstehen“), Chancengleichheit („Bildung für alle“) und Wettbewerbsfähigkeit („Bildung ist Zukunft“). Die Motive stehen ab sofort als kostenlose Füllanzeigen zur Verfügung.

Weitere Informationen zum Kongress und die neuen Anzeigen der Weiterbildungsoffensive „Weiter? Bilden!“ finden Sie auf der Homepage der KAW.

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 26.05.2006