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PRO & CONTRA: Weiterbildung für alle?

Ingrid Sehrbrock und Ludwig Georg Braun im Interview

(bikl) Weiterbildung muss selbstverständlicher werden, darin sind sich Ingrid Sehrbrock vom Geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, einig. Bei der Frage der Finanzierung gehen die Meinungen allerdings erwartungsgemäß auseinander. Auf dem Forum Weiterbildung/Beratung der didacta in Hannover werden Fachleute über Möglichkeiten und Trends der Weiterbildung diskutieren.


Keine Finanzierung durch den Staat


Lebenslanges Lernen – ein gern zitierter Begriff. Wird Weiterbildung zur Pflicht?

Braun: Leider nimmt nur rund ein Viertel der Erwachsenen an Qualifizierungsmaßnahmen teil. Das muss sich ändern, wenn die Menschen mit dem schnellen technologischen Wandel Schritt halten wollen. Die Unternehmen sind in einem immer härteren Wettbewerb auf Mitarbeiter angewiesen, welche die neuesten Methoden und die modernste Technik beherrschen. Nur wer auf der Höhe der Zeit bleibt, wird seinen Arbeitsplatz dauerhaft sichern können. Da das in Zukunft für fast alle Arbeitnehmer gelten wird, könnte man sicher sagen, dass lebenslanges Lernen zu einer Pflicht wird.

Sowohl Unternehmen wie Mitarbeiter profitieren von der Weiterbildung. Gibt es ein gerechtes Finanzierungsmodell?

Braun: Die Kosten für Weiterbildung sollten von demjenigen getragen werden, der den Nutzen hat. Das bedeutet, dass betriebsspezifische Weiterbildungen in der Regel vom Unternehmen bezahlt werden. Handelt es sich aber um eine Weiterbildung, von der ausschließlich der Arbeitnehmer profitiert – also der berühmte Töpferkurs –, dann sollte er auch die Kosten übernehmen. Das wird in der Praxis meist auch so gehandhabt. Der Staat sollte bei der berufsbedingten Weiterbildung in der Regel keine Rolle als Financier übernehmen.

Wo sehen Sie die Schwerpunkte der Weiterbildung: bei den Soft Skills oder beim Fachwissen?

Braun: Generell ist es so, dass Fachwissen von den Unternehmen als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Bei einer Einstellung oder Beförderung geben deshalb oft die Soft Skills den Ausschlag, die ein Bewerber darüber hinaus mitbringt. Also zum Beispiel: Kann er Projekte managen? Kann er mit Konflikten unter Kollegen umgehen? Neue Studien zeigen zudem, dass die Bedeutung der Soft Skills von Betrieben und Arbeitswissenschaftlern für den unternehmerischen Erfolg immer höher eingeschätzt wird.


Mindestanspruch auf Weiterbildung


Lebenslanges Lernen – ein gern zitierter Begriff. Wird Weiterbildung zur Pflicht?

Sehrbrock: Der Einstieg in das Erwerbsleben hängt stark von den Basisqualifikationen ab, die in Schule und Hochschule erworben werden. Dazu gehört auch, das Lernen zu lernen. Fachwissen unterliegt einem raschen Verfall. Wir brauchen deshalb eine Architektur des Lernens unter dem Motto „Lernen von Anfang an und lebensbegleitend“. Sowohl Unternehmen wie Mitarbeiter profitieren von der Weiterbildung.

Gibt es ein gerechtes Finanzierungsmodell?

Sehrbrock: Die Finanzierung ist schon jetzt auf viele Schultern verteilt. Qualifikation zahlt sich aus. Davon profitieren insbesondere die Betriebe, die dadurch innovativer, produktiver und wettbewerbsfähiger werden. Sie stehen daher besonders in der Verantwortung und müssen mehr tun als bisher, um die Qualifikation ihrer Beschäftigten zu fördern. Die Teilnahmechancen für Arbeitnehmer an Weiterbildung sind in Deutschland wesentlich schlechter als im europäischen Vergleich. Wir fordern daher von den Arbeitgebern einen Mindestanspruch auf individuelle Weiterbildung.

Wo sehen Sie die Schwerpunkte der Weiterbildung: bei den Soft Skills oder beim Fachwissen?

Sehrbrock: Beides ist wichtig. Die fachlichen Anforderungen sind auf breiter Front gestiegen. Mindestens so gefragt sind Teamfähigkeit, Führungskompetenz, soziale und kommunikative Kompetenz. Der Staat muss Rahmenbedingen schaffen, die das lebensbegleitende Lernen erleichtern. Die Betriebe müssen bessere Angebote und Zugänge für alle eröffnen, aber auch die Beschäftigten sind gefragt: Sie müssen sich auch selbst darum bemühen, ihre Qualifikationen auf dem neuesten Stand zu halten.

Quelle: bildungsklick.de (09.01.2006)

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.04.2006