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Weiterbildungsträger bluten in Folge von Kürzungspolitik personell aus

Rund 5000 Beschäftigte bei ca. 100 Weiterbildungsträgern in 55 Städten beteiligten sich am 6. Dezember 2004 an Protesten von ver.di und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen empfindliche Einschnitte in die berufliche Weiterbildung als Folge von Hartz IV.

Anlass war der mit Hartz IV ins Sozialgesetzbuch eingefügte Aussteuerungsbetrag, den die Bundesagentur für Arbeit ab 2005 an den Bundesfinanzminister zahlen muss, eine Art Strafsteuer für nicht vermittelte Arbeitslose. Dies gehe zu Lasten der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Arbeitsagenturen, die künftig weniger Mittel in die berufliche Weiterbildung stecken würden, mutmaßt Hans-Jürgen Sattler, der in der ver.di-Bundesverwaltung für die Beschäftigten im Weiterbildungssektor zuständig ist. Dies treffe die Weiterbildungsbranche, die wegen der Geschäftspolitik der Bundesanstalt in Sachen Weiterbildung in dramatischen Turbulenzen steckt.

Die Qualifizierung von Erwerbslosen befindet sich seit Jahren im Sinkflug, obwohl 35 Prozent von ihnen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Die Einführung von Bildungsgutscheinen im Zusammenhang mit SGB-Änderungen hat den negativen Trend beschleunigt. Im November befanden sich nur noch 163800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der geförderten beruflichen Weiterbildung, über ein Drittel weniger als ein Jahr zuvor. Und noch Anfang 2003 hatte es knapp 300000 gegeben. Also fast eine Halbierung des Qualifizierungsengagements. Unter den 15 alten EU-Ländern liegt Deutschland in der Weiterbildung auf Rang 10.

"Mit den Erwerbslosen hat man ausgerechnet die schwächste Gruppe von Weiterbildungsnachfragern zu Versuchskaninchen für ein neues Finanzmodell gemacht", moniert Hans-Jürgen Sattler. Die Vorgabe, dass Maßnahmen nur noch bewilligt werden dürfen, wenn 70 Prozent anschließend einen Arbeitsplatz bekommen, hält der Gewerkschaftssekretär für verfehlt. Folge: 1,5 Mrd. Euro können in diesem Jahr nicht zur Qualifizierung eingesetzt werden. "So werden Erwerbslosen Chancen genommen", klagt er.

Jüngste bildungspolitische Fehlleistung der rot-grünen Regierung ist der Aussteuerungsbetrag. "Nach Hartz IV muss die Bundesagentur dem Bund jedes Vierteljahr diesen Aussteuerungsbetrag für jeden Arbeitslosen zahlen, der im zurückliegenden Quartal vom beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I in die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II abgerutscht ist. Der Aussteuerungsbetrag entspricht der Jahressumme aus dem durchschnittlichen Alg II, dem Sozialgeld für Angehörige und Beiträgen zur Sozialversicherung, etwa 10000 Euro für jeden Arbeitslosen", erläutert Hans-Jürgen Sattler. Und dies gehe eindeutig zu Lasten der Eingliederungsmaßnahmen. Er fordert Korrekturen an Hartz IV, auch die Abschaffung des Aussteuerungsbetrages.

Leidtragende sind neben den Erwerbslosen die Beschäftigten der Weiterbildungsträger. "In nur 18 Monaten sind in zwölf Unternehmen von 7700 Arbeitsplätzen rund 2800 abgebaut worden, also jeder dritte Arbeitsplatz", beziffert Sattler. Und der Trend setzt sich fort. Nach drei Jahren Hartz-Reform sind rund 30000 Arbeitsplätze verloren gegangen, Ende 2005 könnten es gar 45000 sein, schätzt der Gewerkschafter. Und es gibt immer weniger Beschäftigte mit einem Anstellungsvertrag. Arbeit nur gegen Honorar weitet sich rapide aus. Am Ende winken den Dozenten vielleicht Ein-Euro-Jobs.

Quelle: verdi.news 21/2004

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 17.12.2004