Nachrichten-Archiv

Zurück zur Übersicht

Wirtschaft will Betriebsverfassung deutlich abschwächen

(GL) Deutschlands Unternehmer wollen die Mitbestimmung neu definieren: Mitbestimmung light. Da kommt ihnen das Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts gerade recht. Es will zwar nicht die Mitbestimmung beschneiden, fordert aber eine Klarstellung zum Quorum. Der Gesetzgeber muss bis Ende 2005 handeln. Das passt Rogowski & Co. Die Wirtschaftsverbände planen bei der Unternehmensverfassung und in der Betriebsverfassung den Rückschritt.

Der Bericht der Mitbestimmungskommission der Wirtschaftsverbände sieht die Mitbestimmung durch Betriebsräte im Grundsatz als bewährt an. Sie könne "zum Wohl von Arbeitnehmern und Betrieben sinnvoll praktiziert werden". Das gesetzliche Regelwerk sei aber zu bürokratisch und unflexibel. Ins Fadenkreuz der Kritik ist die Reform von 2001 geraten: "Diese weit überwiegend verfehlten Änderungen sollten zurück genommen werden."

Für die erstmalige Wahl eines Betriebsrats wollen die Wirtschaftsverbände eine Vorabstimmung, bei der mindestens die Hälfte der Arbeitnehmer für die Errichtung eines Betriebsrats votieren muss. Hier scheint der Vorwurf der Bürokratie wohl nicht zu greifen. Auch bietet die Vorabstimmung mehr Möglichkeiten des disziplinarischen Drucks durch den Arbeitgeber. Klageschriften wegen Wahlbehinderungen stapeln sich in den Gerichten.

Schwellenwerte sollen gesenkt werden

Während das Engagement von Führungskräften bei Kammern und Wirtschaftsverbänden nie von Kostenüberlegungen überschattet sind, empfinden die Mitbestimmungskritiker den Preis der Mitbestimmung als überzogen. Deshalb wollen sie die Schwellenwerte für zahlreiche Regelungen senken: "Die Schwellenwerte müssen zumindest wieder auf die bis 2001 geltenden Schwellen zurückgeführt werden." Gemeint sind nicht nur Freistellungen. Teilzeitbeschäftigte sollen nur anteilig entsprechend ihrer Arbeitszeit berücksichtigt werden. Außer Ansatz sollten auch Auszubildende bleiben. Storniert werden sollte außerdem die Übernahmepflicht von Auszubildenden in Wahlämtern.

Weitreichende Einschnitte in die Mitbestimmung sind zu vermuten bei Regelungen bei Betriebsänderungen. Eine lange Liste von Einschränkungen der Mitbestimmungsrechte nach Paragraf 87 Betriebsverfassung (BetrVG) folgt. Die Rückschritte reichen teilweise hinter Regelungen des Gesetzes von 1972 zurück.

Die im Jahr 2001 konkretisierten Initiativrechte, etwa bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung und dem Gesundheitsschutz, sollen aus dem Betriebsverfassungsgesetz weitgehend entfernt werden. Und streichen wollen die Arbeitgeber die betriebsrätliche Mitbestimmung bei Eingruppierungen (Paragraf 99 BetrVG).

Quelle: ver.di NEWS 19/2004


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 13.11.2004